: Eltern-Einfluss zurückdrängen
Für den Soziologen aus Münster, Wolfgang Lauterbach, sind die Eltern bildungsferner Schichten verantwortlich für die Bildungschancen: Sie trauen ihren Kindern zu wenig zu
Die erste PISA-Studie im Jahr 2000 war für viele ein Schock, die aktuelle hat den Befund noch verschärft – nicht nur wegen der mittelmäßigen Leistungen der Schüler, sondern weil sich zeigte, wie stark die Unterschiede zwischen gesellschaftlichen Klassen noch immer in Deutschland zementiert sind. „Man wollte vorher einfach nicht wahrhaben, dass es noch immer eine entscheidende Rolle spielt, aus welchem Elternhaus ein Kind kommt“, so Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach von der Universität Münster. „Durch PISA hat sich das endlich geändert.“
Von drei Komponenten ist laut Lauterbach abhängig, welche Bildungskarriere ein Kind einschlägt: von den individuellen Leistungen, von der Herkunftsfamilie und von der Schule. Doch die Herkunft hat den größten Einfluss. Während Studien zeigen, dass Lehrer bei ihren Empfehlungen, ob ein Kind das Gymnasium besuchen solle, weit gehend tatsächlich die Leistungen in den Mittelpunkt stellen, ist dies bei den Eltern häufig nicht der Fall. „Wenn ein Kind aus einer bildungsfernen Familie gute Leistungen erbringt, geht es deswegen trotzdem nicht zwingend auf das Gymnasium“, so Lauterbach. „Bis Mitte 20 kumulieren sich mehrmalige Entscheidungen, wobei die folgenschwerste bereits mit zehn Jahren getroffen wird“, so der Soziologe.
Der Einfluss der Eltern sei zu groß und die bedeutendste Entscheidung müsste viel zu früh getroffen werden. „Was vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen einmal verständlich gewesen war, nämlich nach der Zeit des Nationalsozialismus den Einfluss des Staates zurückzudrängen und die Verantwortung weit gehend der Familie zu übertragen, ist heute nicht mehr zeitgemäß und führt nur zu sozialer Ungerechtigkeit“, so Lauterbach.