: Lernprozesse beim Ballerspiel
Computerspiele klüger machen, das vermutet die Sozialpädagogin Nadja Kraam. Probleme des realen Alltags können durchaus auf die virtuelle Welt übertragen werden und umgekehrt, sagt sie, auch die Lösungsstrategien
Computerspiele machen dumm. Viele glauben das. Doch die Fachwelt ist sich darüber alles andere als einig. Macht Spielen am PC vielleicht sogar klüger? Gut möglich, meint Nadja Kraam. Die Diplom-Sozialpädagogin promovierte über „Problemlösungsprozesse im Computerspiel“ und kommt zu einer für manche überraschenden Erkenntnis: Probleme des realen Alltags können durchaus auf die virtuelle Welt übertragen werden und umgekehrt – und somit auch die eine oder andere Lösungsstrategie.
Vor einem guten Dutzend Interessierter referierte Kraam am Mittwoch abend im Rahmen der Vortragsreihe „Computerspiele. Chancen und Risiken“ der MultiMediaSpielwiese, einer Einrichtung der Bremer Zentralbibliothek. Dabei ging es weniger darum, darzulegen, was Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene an Computerspielen fasziniert. Vielmehr ging die frühere Mitarbeiterin im Forschungsschwerpunkt „Wirkung virtueller Welten“ an der Fachhochule Köln der Frage nach, welche kognitiven Anforderungen Computerspiele an die Anwender stellen und was sie dabei quasi in die reale Welt mitnehmen können.
Unterschiedliche Spiele erfordern unterschiedliche Problemlösungen, soviel wurde deutlich. „Doch was heißt eigentlich Denken und Problemlösen?“, fragt Nadja Kraam. In Anlehnung an den Bamberger Psychologen Dietrich Dörner definiert Kraam ein Problem durch einen gegeben Anfangszustand, ein angestrebtes Ziel – und eine Barriere dazwischen. „Mal hat man die richtigen Mittel und weiß sie nicht anzuwenden, mal hat man den Lösungsweg, doch es fehlen die Mittel“, so die Sozialpädagogin, die mitterweile bei der RAG Bildung GmbH in Essen tätig ist. In vielen PC-Adventuregames wie „Monkey Island“ stehen die SpielerInnen genau vor dieser Aufgabe. In manch anderen Fällen, beim legendären „Myst“ etwa, sind zwar Anfangsszenario und die verfügbaren Mittel bekannt, das eigentliche Spielziel dagegen völlig schleierhaft.
Kraam sieht in der Bewältigung der aufgeworfenen Probleme in Computerspielen durchaus einen positiven Effekt: Je nach Spieletyp werden kombinatorisches, taktisches oder strategisches Denken geschult, Actionspiele fördern zumindest die sensumotorische Fähigkeiten. Doch selbst der schlichteste Ego-Shooter, gemeinhin als „Ballerspiel“ bezeichnet, fordert demnach rudimentäre taktische Fähigkeiten: „Zum Beispiel bei der Wahl der Waffen“, sagt Kraam.
Dass sie von den im Spiel erworbenen Kenntnissen etwas ins reale Leben hinüberretten, davon war nicht nur ein Großteil der weit über 100 ProbantInnen überzeugt, die Kraam im Rahmen ihrer Untersuchungen befragte. Auch sie selbst ist vom Lerneffekt überzeugt. Man könne aber nicht von einer eins zu eins Übertragung ausgehen, meint sie. Zum einen seien die Handlungsmöglichkeiten im Leben unbegrenzt, im Spiel dagegen auf das zuvor Programmierte limitiert. Zum anderen seien die Konsequenzen einer Handlung am PC bei weitem nicht so gravierend, sagt Kramm. „Wenn ich im Computerspiel umkomme, kann ich die Reset-Taste drücken und von vorn beginnen.“
Im Auditorium herrschte offenbar Konsens, dass Computer nicht per se als Verdummungsmaschinen gelten dürfen, es gab nicht eine kritische Anmerkung. Einig war man sich allerdings darin, dass gerade junge Menschen darin gestärkt werden müssen, was Kraam „Rahmungskompetenz“ nennt. Im Klartext: Es muss den Gamern klar sein, in welcher Welt sie sich jeweils bewegen – und welche Regeln gelten.
Edith Laudowicz vom Veranstalter MultiMediaSpielwiese fragt sich ohnehin, warum an Computerspiele immer gleich Lernanforderungen gestellt würden. Das habe man doch früher bei Brett- und Kartenspielen auch nicht getan und das sei in Ordnung so, meint sie. „Manchmal will man doch auch einfach nur Spaß haben.“ Achim Graf