Chance für Afrikas Bauern: Bio auch ohne Siegel

Afrikanische Bauern profitieren vom aktuellen Ökotrend in Europa. Dabei produzieren sie oft ohnehin in Bioqualität - chemische Dünger sind ihnen zu teuer.

Bioware einkaufen lohnt sich - auch für Bauern in Afrika. Bild: dpa

Mit Idealismus hat Bio hier wenig zu tun - es geht vor allem ums Geld: Immer mehr afrikanische Produzenten sehen in den Biosiegeln Europas und der USA die Chance, ihre Waren zu exportieren. Schließlich greifen immer mehr Konsumenten in den Supermärkten zu "Bio". So informieren sich afrikanische Betriebe über die verschiedenen Auflagen, die es zu erfüllen gilt, um das Siegel zu erhalten, suchen nach einer unabhängigen Zertifizierungsstelle - und spielen das Spiel mit. Denn ein wenig Befremden über den Siegelboom war unter den afrikanischen Produzenten auf der weltgrößten Biomesse BioFach in Nürnberg, die am Sonntag zu Ende ging, schon zu bemerken.

Vielfach seien Obst und Gemüse aus afrikanischen Ländern ohnehin "bio", sagen viele. Kleine Bauern könnten sich chemisch-synthetische Düngemittel meist nicht leisten. Und dass Konsumenten für ein Siegel bezahlen, hieße, für einen Mehrwert zu bezahlen, der in erster Linie "Luxus" vermittle - aber keinen tatsächlichen Unterschied zu jenen Waren bedeute, die sonst zu erhalten seien, meint Smash Nathu. Er ist Direktor eines Betriebes in Uganda, der Vanille und Kardamom vertreibt, und sagt: "Bio ist Business." Vanille und Kardamom sind beide keine traditionellen Gewürze Ugandas; USAID und die schwedische Organisation für Entwicklungszusammenarbeit Sida halfen dem Unternehmer beim Aufbau Anfang der 1990er-Jahre, um den mehr als 3.000 Kleinbauernfamilien, die Nathus Betrieb heute beliefern, zu zeigen, wie sie die Gewürze anzubauen und zu pflegen haben.

Asnakech Thomas ist Kaffeeproduzentin. Auch sie berichtet, dass die kleinen Kaffeebauern aus ihrer Region - Amaro in Äthiopien - eigentlich "bio" produzierten, aber ohne dafür ein Siegel zu erhalten. Zwischenhändler kauften die Bohnen zu "miesen Preisen" ab und brächten sie zur Auktion nach Addis Abeba. Sie selbst wollte das nicht mehr hinnehmen. Sie zahlt ihren Bauern längst das Doppelte oder mehr - wenn die Pflücker keine gelben oder grünen Kirschen, sondern nur rote lieferten, sagt sie. Thomas verkauft ihren Arabica-Kaffee als "Bio-zertifiziert". Sie hat sich dafür eine Exportlizenz besorgt und arbeitet mit der Nürnberger Ökokontrollstelle BCS zusammen. "Bauern sollten mehr verdienen", sagt Thomas.

"Wie soll das gehen, wenn wir selbst unter Druck gesetzt werden?", meint hingegen Henry Lartey, Chef eines Biopapaya-Betriebs in Ghana. "Jeder versucht, den besten Preis auszuhandeln, die Supermärkte geben den Druck an ihre Importeure weiter - und die an uns." Bioproduzenten würden zwar besser bezahlt als konventionelle, aber "lang nicht so gut, wie es sein sollte". Die Kontrollen kosteten Geld, aber Garantien, dass das Geschäft gut laufen wird, gebe es keine.

Lartey spricht aus Erfahrung: Begonnen hat er mit dem Bioanbau vor zehn Jahren. Damals ernteten seine Bauern 16.000 Tonnen Biopapaya. Seine Produktion musste er auf 4.000 Tonnen zurückfahren, die Nachfrage war zu gering: "Mango und Ananas kennt in Europa jeder. Papaya nicht", erklärt er. Den Biogedanken findet er aber nach wie vor sympathisch: "Wir brauchen hier in Afrika keine Pestizide, wie sie die Multinationalen zu verkaufen versuchen."

Das sieht Sophia Twarog von der UN-Organisation für Handel und Entwicklung ähnlich. Sie widerspricht damit dem Chef einer anderen UN-Organisation, nämlich der für Welternährung. Jacques Diouf hatte Ende des Jahres erklärt, nur der "vernünftige Einsatz von chemischem Dünger" könne Nahrungsmittelsicherheit garantieren. Twarog hingegen sieht im Bioboom Chancen für afrikanische Bauern, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Der Großteil afrikanischer Bioware geht derzeit in den Export. Ein wenig zieht die Binnennachfrage in den großen Städten Ägyptens, Kenias und Südafrikas an, dort, wo es einkommensstärkere Schichten gibt - und Touristen. Letztlich biete aber nur ein Siegel die Garantie dafür, dass tatsächlich ohne Chemikalien gewirtschaftet worden sei, meint Anne Boor von der Internationalen Vereinigung der biologischen Landbaubewegungen - weshalb sie davon ausgeht, dass das "Ökosiegel" künftig in Afrika aus der Nische herauskommen wird.

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