Besoffener Mob jagt Ausländer: Handyvideo führt zu Haftstrafen

Nach fremdenfeindlichen Angriffen in Meck-Pomm werden sechs Männer verurteilt. Dass nicht mehr Urteile fallen, liegt auch an Fehlern der Polizei.

Am Montag vor dem Amtsgericht Güstrow. Bild: dpa

HAMBURG/GÜSTROW taz Wegen eines Handyvideos landeten die sechs Männer auf der Anklagebank. Die Tatverdächtigen im Alter von 18 und 24 Jahren sind auf den Aufnahmen bei einem fremdenfeindlichen Krawall im mecklenburg-vorpommerschen Bützow zu erkennen. Am Montag verurteilte das Amtsgericht Güstrow den Hauptschuldigen Michael W. zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sowie Martin M., Sebastian M. und Eric Andre W. zu jeweils mehrmonatigen Bewährungsstrafen.

Gemeinnützige Tätigkeiten müssen Hannes W. und Tim W. ausüben. Von einer ausländerfeindlich motivierten Tat wollten die Straf- und Ermittlungsbehörden aber nicht ausgehen.

In der Nacht zum 25. August 2007 begann eine alkoholisierte Menge während der "Gänsemarkttage" Stände umzustürzen und legte Feuer. Dabei hatte die Polizei zuvor noch eingeschätzt, das Volksfest in der mecklenburg-vorpommerischen Kleinstadt sei noch nie so ruhig gewesen, und war weggefahren.

Ungestört konnte der Mob den Imbiss von Saqib Mahmood aufbrechen. Über dem Laden, in seiner Wohnung, erlebte der Imbissbesitzer mit seiner deutsch-pakistanischen Familie den Angriff - auch seine vierjährige Tochter war dabei. "Deutschland den Deutschen" sollen die Angreifer gegrölt haben, als sie glühende Kohle vom Grill über den Boden verteilten. "Scheiß Türke, wir kommen hoch und machen dich fertig!", hätten sie gerufen, erinnerte sich Mahmood und sagte: "Wir hatten zum ersten Mal Angst um unser Leben." Der Mob griff auch einen türkischen Händler mit Eisenstagen an. Gut eine Stunde nach den ersten Anrufen bei der Polizei kamen zwei Beamte. Als Flaschen flogen, zogen sie sich zurück.

Um die 50 Männer sollen laut Zeugenaussagen bei diesen Angriffen beteiligt gewesen sein, dennoch müssen sich nur sechs vor Gericht verantworten. Ohne das Handyvideo, das dem Opfer Saqib Mahmood zugespielt wurde, wären die Ermittlungen wohl folgenlos geblieben. Daran sollen auch Fehler der Polizei schuld sein. Bei der Verhandlung berichteten Zeugen immer wieder von deren Versagen. Um 2.30 Uhr will ein Angestellter einer Sicherheitsfirma im Revier angerufen haben.

Sein Kollege sagte vor Gericht aus, dass ein Polizeibeamter dem Anrufer mit einer "Anzeige wegen Belästigung" drohte. Andere Zeugen berichteten, dass ihre Anrufe bei der Polizei mehrfach "weggedrückt" worden seien. Gegen 4.00 Uhr kamen dann doch die zwei Beamten, die wegen der Flaschenwürfe flüchteten. Verstärkung traf nach einer Stunde ein. "Schwerwiegende Führungsfehler" räumte unlängst Thomas Lenz, Staatsekretär des mecklenburg-vorpommerschen Innenministeriums, ein. Als Triebfeder der Krawalle macht aber auch Lenz nicht Rassismus, sondern "vielmehr Alkohol" aus.

Die Staatsanwältin warf den Tätern schweren Landfriedensbruch und versuchte gefährliche Körperverletzung vor. Wiechmann sagte, einige Angeklagte kämen zwar aus der rechtsextremen Szene, dennoch sei das Motiv nicht Ausländerfeindlichkeit, sondern zu viel Alkohol.

Bützows Bürgermeister Lothar Stroppe war bei der Verhandlung und sagte, er hätte nicht vermutet, Zeuge einer "Suchtberatung" zu werden. Er kennt das Video, für ihn war der Angriff "eindeutig ausländerfeindlich". Die Stadt Bützow bestreitet nicht, eine rechte Szene zu haben. Die Entpolitisierung des Verfahrens könnte ein falsches Signal geben, glaubt Kathrin Oxen, Pastorin der Reformierten Kirche. Im Gericht feixten die Kameraden der Täter schon vor dem Urteil.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.