Texanische Demokratenkneipe: Showdown bei Scholz

Ein deutscher Traditionsbiergarten ist der Demokraten-Treffpunkt in Austin. Hier baldowerten einst Bill und Hillary Kampagnen aus - heute wird Michelle Obama gefeiert.

"German Gemütlig-keyt" für Demokraten. Bild: adrienne woltersdorf

AUSTIN taz Wenn die Demokraten im konservativen US-Bundesstaat Texas noch ein Zuhause haben, dann ist es im "Scholz Garten" zu finden. Unter den mächtigen Pekannuß-Bäumen und bei einem Maß "Lone Star Longneck" oder einem zünftigen Paulaner Hefeweizen kann man es vielleicht schlagen hören, das schwächelnde Herz der Demokratischen Partei. Seit Jahrzehnten schon treffen sich die Liberalen des Longhorn-Staates in dem deutschen Biergarten zu "Gezupftem-Huhn-Sandwich" und einem Gespräch über Baseball und Basispolitik. Ganz in der Nähe des überdimensionierten texanischen Kongresses gelegen, war "Scholz Biergarten" seit seiner Gründung 1866 stets die beste Adresse für die in den USA so bewunderte deutsche Kunst der produkiven "Gemütlig-keyt".

Seit den Tagen, als der spätere demokratische US-Präsident Lyndon B. Johnson noch ein sommersprossiges Kind war, versammelten sich die Liberalen an den Holztischen, die aus den Planken der ersten "Austin Sängerverein"-Kegelbahn gezimmerten wurden. 1972 war das Lokal mitten im Herzen der texanischen Hauptstadt einige Monate lang täglicher Anlaufpunkt für zwei junge, energetische Mitarbeiter der Wahlkampagne des Präsidentschaftskandidaten George McGovern. Es waren Bill Clinton und Hillary Rodham, damals noch unverheiratet, die sich hier abschauten, wie man eine Kamapagne organisiert. Damals ging es um Wandel und Neuanfang, Kampf gegen das Establishment, und die Notwendigkeit eines Neuanfangs. Bill kam als Präsident noch einmal vorbei und es schien, als habe die Idee eines besseren Amerikas unter den Pekanbäumen bei Scholz angefangen.

Dass der Dornröschenschlaf der Demokratischen Partei im November beendet werden könnte, dass hofft so mancher altgediente Fußsoldat der texanischen Liberalen. Seitdem das Fieber der Obamania die jungen Studentinnen und Wahlhelfer täglich einmal zum abkühlen und Durst löschen bei Scholz vorbeitreibt, betet man hier, dass die Begeisterung noch bis in den November hinein anhalten möge. Denn dass die Liberalen im größten US-Bundesstaat in verschwindender Minderheit sind, ist noch nicht lange her. Seit dem Bürgerkrieg bis hinein in die 1960er Jahre, ein Jahrhundert lang, dominierten die Demokraten den Süden der USA. Es waren konservative Liberale, die aber mehr und mehr ihre Macht mit den noch konservativeren Republikanern teilen mussten – bis hin zur Sieg des Außenseiters George W. Bush 1994 als Gouverneur von Texas über die populäre demokratische Amtsinhaberin Ann Richards.

Wirt Tom Davies ist es längst gewohnt, dass sie alle zu Scholz kommen. Von seiner Bierkneipe und den Deutschen spricht er, als sei er nur der Sachverwalter einer viel größeren, bedeutenderen Sache. "The Germans”" nennt er sie und berichtet seine Beobachtungen ihrer Eigenarten wie ein Ethnologe von einem Forschungsgegenstand. Davies, geboren in Houston, ist selbst schottischer Herkunft. Aber seine Frau ist deutscher Abstammung, aus der Region um Austin herum, die spöttisch-anerkennend der "Sauerkraut-Bend" genannt wird, weil die Kleinstädte im texanischen Herzland Fredericksburg, New Braunfels, Boerne oder Gruene heißen.

Tom Davies, 55, übernahm vor 12 Jahren nach und nach die Pacht von Scholzens, nachdem er dem Austiner Sängerverein, dem Eigentümer, in einen freundlichen Brief geschrieben hatte, dass ihre Kneipe in einem verbesserungswürdigen Zustand sei. Davies, studierter Kinderpsychologe und Sozialarbeiter, hatte selbst schon zwei Restaurants in Austin eröffnet. Er liebt die Geschichte seiner Kneipe und verliert sich freudig erregt beim Erzählen in den zahllosen Details der unfasslich langen Historie dieses doch eingentlich so jungen Ortes. "Sie sind ja nicht schnell im Entscheiden", sagt er über die "Germans" und nimmt dies stets als Marker dafür, dass ein Kapitel der Lokalgeschichte endet und ein neues beginnt. Er mag sie, die langsamen, ernsthaften Deutschen. Seine Frau sei auch so eine, meint er.

Was er nicht versteht, ist die Scheu der Germans davor, ihre Existenz zu feiern. Dem Sängerverein, der sich nach außen hin wie eine Geheimgesellschaft anschottet, schenkte er gleich zu Beginn seiner Pächterkarriere eine deutsche Fahne für das Dach der Sängerhalle, zu der auch Scholz Garten gehört. Der Deutschenverein wollte davon zunächst nichts wissen. Schon gar nicht von der DDR-Fahne, die Tom Davis nach dem Fall der Berliner Mauer gleich mitbestellt hatte. "Und was passierte dann?" fragt Davies triumphierend. "Als die Schwarz-rot-goldene Fahne verwittert war, kamen sie zu mir und fragten, ob ich eine neue kaufen könne!" Nix da, erzählt er lachend. "Die sollten sich mal selbst drum kümmern." Haben sie dann auch. Heut weht unter der texanischen die bundesdeutsche Fahne.

Nach Jahren findet Tom Davies noch immer, dasss seine Kneipe nicht deutsch genug ist. Eine erste Reise nach Deutschland mit dem Kirchenchor vor fünf Jahren offenbarte ihm, dass Kalbsfleisch gar nicht wirklich das Lieblingsessen der Deutschen sei, wie die alten Scholz-Speisekarten nahegelegt hatten. Er führte Wiener- und Jägerschnitzel ein, sorgte für Biertische und Bänke im Garten – "aus Plastik zum Glück, die sind viel leichter" und versöhnte American Football mit Bratwurst, Hefeweizen und Apfelstrudel.

Vergangene Woche schließlich kehrte die altbekannte Botschaft des demokratischen Aufbruchs und Neuanfangs mit Michelle Obama zurück ins Hinterzimmer bei Scholzens. Die versammelte Menge tobte und jubelte der Kanidatengattin zu wie schon vor 36 Jahren, als McGovern zusammen mit den jungen Clintons hier die Gäste zum toben brachten. Fast alle Parteivertreter waren gekommen, um Michelle zu sehen, das Bier floß, die liberalen Hoffnungen flogen so hoch wie schon lange nicht mehr. Nur die Clintons machten im Jahr 2008 einen großen Bogen um Scholz.

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