Kolumne Eurokolumne: Erlebte Schadenfreude

Noch acht Wochen bis zur Fußball-EM. Zur Einstimmung: Die Eurokolumne (III) berichtet über die drei peinlichsten Fußballmeldungen der Schweiz.

"Expect Emotions" heißt der Slogan für die Fußball-EM in der Schweiz und Österreich, offiziell lassen ihn die Fußballverantwortlichen mit "Erlebe Emotionen" übersetzen. Auf Deutsch klingt die Befehlsform etwas zackiger und deutlicher als auf Englisch. Das führt immer wieder zur Frage, was es denn setzt, falls man beim vorsätzlichen Nichterleben verordneter Emotionen erwischt wird. Nun, es setzt derzeit zum Beispiel schon immer öfter mediale Appelle, sich bitte schön endlich mal auf das Großereignis im Juni zu freuen. Ein bisschen Begeisterung könne dem Bild der Schweizer nicht schaden, besonders gegenüber dem Ausland.

In der Tat halten sich die schweizerischen Begeisterungsstürme bislang in Grenzen. Insbesondere die Stadionanwohner beschweren sich, die während der Spiele Passierscheine beantragen müssen. Aber Ärger ist immerhin auch eine Emotion. Und deren öffentliches Erleben nimmt gerade zu. Denn seit ein paar Wochen häufen sich Meldungen rund um das Turnier, die als roh-satirische Diamanten durchgehen. So wird die Freude doch noch bemerkbar - wenn auch vorerst als verschobene Schadenfreude. Aber selbst Kritiker und bis vor kurzem Teilnahmslose merken, dass ab dem 7. Juni ganz schön was los sein wird. Am Ende gucken wir doch alle. Hier die ersten drei Plätze meiner Hitparade der real existierenden Fußballmeldungen aus der Schweiz: Auf Platz drei liegt der Basler Wirt, den die Uefa zwingt, auf seine Rheinterrasse eine Sichtschutzmauer zur Großleinwand zu bauen, weil er sich weigert, das Uefa-Bier aus dem Hause Carlsberg auszuschenken. Herr Parisi kommt aus Sizilien, sein Bier aber aus Basel.

Dicht an Herrn Parisi dran sind die ferngesteuerten Helikopterdrohnen, mit denen man die Fans und Fremdbiertrinker auch von oben beobachten kann. Für 15.000 Franken kann man so einen Flugkörper auch privat erwerben - "ready to fly" und mit GPS zwar, aber noch ohne bewegliche Kamera. Das ist immerhin billiger, als für 1,5 oder womöglich gar 15 Millionen einen bemannten Heli der US-Privatarmee Blackwater zu bestellen, bloß um die Nachbarin beim Sonnenbaden zu filmen.

Aktueller Spitzenreiter der Peinlichkeiten aber ist für einmal nicht die schrumpfende Großbank UBS, sondern ihre Konkurrentin, die Credit Suisse (CS). Recherchen einer Informationssendung des Schweizer Fernsehens haben ergeben, dass die 200.000 rot-weißen Fußbälle, welche die CS seit Mittwoch verteilt, auch von Kinderhand genäht wurden. Und zwar zu einem Preis, der selbst für pakistanische Verhältnisse unten durch ist: 39 Rappen, also rund 25 Cent. Erlebe Emotionen: Diese Euro hat also Potenzial zur Anti-G-8-Party, zum Davos für Einsteiger.

Und wie verhält sich die sogenannte Kultur zum Großereignis? Offiziell so gut wie gar nicht. Keine Megaprojekte, noch nicht mal heroisch gescheiterte wie jenes von André Heller vor der deutschen Fußball-WM. Die Schweizer Regierung fand zu wenig private Geldgeber. Die Firmen kalkulierten kalt und folgerten scharf, es gebe zu wenig Synergien zwischen Kulturwelt und Fußballfans.

Ich finde das erfrischend klar und auch angenehm: Kein nationales Feuerwerk, keine verkrampften Spiegelungen von Kunst und Sport. Was übrigens nicht heißt, dass die Kulturszene untätig wäre. Sie bleibt bloß kleinteilig. Gerade höre ich eine sehr lustige CD, auf der sich intellektuelle Fußballfans lustig machen über intellektuelle Fußballfans (dazu mehr beim nächsten Mal).

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.