: Jubiläum vierter Klasse
Der ehemalige Werksklub KFC Uerdingen wird Hundert. Ob weitere Jubiläen folgen, ist derzeit mehr als fraglich. Der hoch verschuldete Ex-Bundesligist spielt nur noch in der viertklassigen Oberliga
AUS KREFELD ROLAND LEROI
Das Ende des Spektakels wollte sich Marcel Witeczek dann lieber doch nicht ansehen. „Ich muss noch weiter“, sagte der ehemalige Fußball-Profi, bevor er hastig die Krefelder Grotenburg verließ. 0:0 stand es im Oberliga-spiel KFC Uerdingen gegen den VfB Homberg. Eine Viertelstunde war noch zu spielen, doch Tore fielen bis zum Abpfiff keine mehr. Dass sich ehemalige Stars aber überhaupt noch für den Verein interessieren, werten sie in Uerdingen als gutes Zeichen für das 100-jährige Vereinsjubiläum, welches der KFC am kommenden Donnerstag begehen möchte. „Ich hänge sehr an diesem Club, sonst würde ich meine Freizeit anders gestalten“, bekräftigt Witeczek. Seine Karriere begann er in Uerdingen. Später spielte er bei den Bayern, beim 1. FC Kaiserslautern und in Mönchengladbach. Seine Karriere beendete bei der SG Wattenscheid – kurz nach deren Abstieg in die Oberliga. Heute ist Witeczek Sportreferent bei der AOK-Rheinland.
Rund 1.500 Zuschauer wollen im Durchschnitt die Heimspiele der Uerdinger sehen. Für die Verhältnisse im Mittelmaß der Oberliga-Nordrhein ist das eine Menge, doch dem ehemaligen Bundesligisten hilft das nicht wirklich weiter. 20 Jahre nach den größten Vereinstriumphen, als 1985 unter dem alten Namen Bayer Uerdingen der DFB-Pokal gewonnen wurde und man die Folge-Saison als Bundesliga-Dritter abschloss, kämpfen die Krefelder vor allem ums Überleben. Die 100-Jahr-Feier verspricht dementsprechend nüchtern zu werden. Etwa 1,5 Millionen Euro Schulden belasten den Verein. Momentan läuft das Insolvenz-Planverfahren. „Wenn wir das positiv abschließen und mit unseren Gläubigern Einigkeit erzielen, sind wir im Mai 2006 wieder sauber“, sagt der KFC-Vorsitzende Ralf Houben. Geht‘s schief, wird sein Club aus dem Vereinsregister gestrichen.
Erst vor einem halben Jahr übernahm der 48-jährige Unternehmer, der früher für die Uerdinger Amateure spielte, das Amt. Die Probleme erahnte er damals nur ansatzweise. „Meine Vorgänger haben einige Fehler gemacht“, sagt Houben ohne die Miene zu verziehen. Wer sich mit der Geschichte des Krefelder Fußballs befasst, weiß, dass die Gründe für den Absturz tiefer liegen. Als Retortenclub des Bayer-Chemiewerkes nie in der eigenen Stadt wirklich geliebt, kämpften die Fußballer aus dem Krefelder Vorort stets vergeblich um Anerkennung.
Mit der Unterstützung des Mutterkonzerns gelangen trotzdem beachtliche Erfolge. Spieler wie die Funkel-Brüder Friedhelm und Wolfgang sowie Rudi Bommer, Matthias Herget oder eben Witeczek wurden in Uerdingen groß. Unter Trainer Karl-Heinz Feldkamp wurde der DFB-Pokal gewonnen und später im Jahrhundertmatch mit einem 7:3 über Dynamo Dresden das Europacup-Halbfinale erreicht. 0:2 verlor Uerdingen das Hinspiel und lag im Rückspiel zur Pause 1:3 gegen die Sachsen hinten, um sich dann in einen kollektiven Rausch zu spielen. Die Jugendabteilung, der man nachsagte, goldene Stollen zu haben, kaufte sich Talente aus ganz Deutschland ein.
Als das Chemiewerk 1995 aber die Unterstützung einstellte und sich der Club von Bayer in KFC umbenannte, war der kurze Brief zum langen Abschied bereits geschrieben. Binnen zehn Jahren rauschte der Verein drei Ligen tiefer und hatte stets den Insolvenzverwalter im Nacken. Sponsoren fanden sich keine. Der Stadtrat lehnte kostenintensive Unterstützungen ab. Man engagierte sich lieber beim Eishockey-Erstligisten KEV. In der Summe ergab das eine wirtschaftliche Pleite und den sportlichen Abstieg in die Oberliga. „Der Verein hat eine leere Hülle, die wir irgendwie mit Leben füllen müssen“, sagt Houben.
Der Vorsitzende hofft darauf, im Falle des abgewendeten Konkurses, mit „kleineren Gönnern“ wieder Fuß zu fassen. „Keine große Firma wird bei uns investieren, wenn sie dafür 100 Mitarbeiter entlassen muss“, sagt Houben. Geblieben ist dem KFC zumindest die gemietete Grotenburg. Weil das 30.000 Zuschauer fassende Stadion in naher Zukunft aber nicht mehr ausgelastet sein wird, hat eine Fan-Initiative alle 8.000 Sitzschalen der Tribüne mit blauen und roten Müllsäcken überzogen. Ein Denkmal aus Plastik, in dem der Schriftzug „Uerdingen 1905“ zu lesen ist. „Unsere Fans haben tolle Ideen. Deshalb lohnt es sich, weiter zu kämpfen“, glaubt Houben.
Die Gegner heißen nun Homberg und Kleve statt Hamburg und Köln. Zumindest zu einem Freundschaftsspiel schaut am 21. Januar Bayern München in Uerdingen vorbei. „Bei unserem jahrelangen Negativlauf fällt das Match wegen Schnee und Eis aus“, maulen die Spötter auf den Stehrängen. Findet es doch statt, wird Marcel Witeczek mit Sicherheit wieder kommen. „Es ist schon ein Jammer, was hier passiert ist. Aber als kleiner Verein musst du ja froh sein, wenn zumindest die Oberliga erhalten bleibt“, sagt der Ex- Profi und muss weiter.