Kommentar Familienpolitik: Jonglieren reicht nicht

Was die Union einst als "Wickelvolontariat" verspottete, feiert sie jetzt als Erfolgsmodell. Die Politik muss eine familienfreundliche Arbeitswelt einfordern.

Da hat die Union ja mal richtig etwas gelernt. Die einst als "Wickelvolontariat" verspotteten zwei Vätermonate beim Elterngeld sind zum "absoluten Erfolgsmodell" avanciert. So begrüßt die Union nun die Vorschläge des "Kompetenzzentrums Familienleistungen", den Windeldienst für Väter noch auszuweiten. Ja, liebe Union, Väter UND Mütter wollen und müssen Geld verdienen und dazu noch Eltern sein.

Dass dies nun sogar die CSU verstanden hat, ist schön. Aber nun mit neuen Aufteilungen von Vätermonaten zu jonglieren ist viel zu wenig. Es wird am tendenziellen Ausstieg der Mütter aus dem Erwerbsleben kaum etwas ändern. Denn auch mit drei oder vier Vätermonaten wäre es für Firmen immer noch so: Der Mann ist eine Weile weg. Aber dann steigt er voll wieder ein. Sonst ist die Karriere nämlich dahin. So wie bei der Frau. Sie nämlich ist nicht nur ein paar Monate weg. Sondern reduziert dann ihre Stelle, weil das Einjährige noch nicht so lange in die Kita kann. Und dann muss sie immer um vier los, das Kleine abholen. Dann wird das Kind krank. Und noch mal krank. Und noch mal. Und dann sind Kitaferien. All das bleibt allzu oft an der Mutter hängen. Denn sie hat ja ihre Arbeitszeit schon reduziert. Und er muss jetzt schlicht das Geld ranschaffen, er kann sich jetzt nicht auch noch beim Chef unbeliebt machen.

Hier, bei den Arbeitgebern, spielt die Musik. Sie müssen Vätern und Müttern entgegenkommen, anstatt lediglich Mütter auf einen Halbtagssackgassenjob abzuschieben und das dann als Familienfreundlichkeit zu verkaufen.

Eine mögliche Ausweitung der Vätermonate, das ist ein zarter Hinweis an Firmen: Väter sind auch Eltern. Aber eigentlich muss die Politik eine familienfreundliche Arbeitswelt einfordern - jenseits freiwilliger Aktionen einiger Schaufenster-Firmen. Im 2001 verblichenen Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft waren solche Maßnahmen festgeschrieben. Es wäre die logische Fortsetzung der neuen Begeisterung für fortschrittliche Familienpolitik. Das Gesetz verschwand damals, als Familie noch Gedöns hieß, in der Schublade. Heute gilt Familienpolitik als Zukunftspolitik. Zeit, die Schublade wieder zu öffnen.

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Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.

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