Eishockey-Weltmeisterschaft: Flucht in die Provinz

Bei der Eishockey-WM, die am Freitag in Kanada startet, traut Bundestrainer Uwe Krupp seinem Team alles zu - positive Überraschungen oder zähen Abstiegskampf.

Nach Ansicht ihres Trainers fit fürs Viertelfinale: das deutsche Nationalteam. Bild: dpa

Der internationale Eishockey-Verband (IIHF) hat sich zu seinem 100-jährigen Jubiläum etwas Besonderes gegönnt: Die erste Weltmeisterschaft in Kanada, im Erfinderland des Eishockeys. Dem Land, in dem sich kleine Kinder auf zugefrorenen Seen mit Schläger und Puck vergnügen. Und wo jeder weiß, wer Wayne Gretzky und was ein unerlaubter Weitschuss ist. Ein idealer Ort also für eine Eishockey-WM? Nun ja, ein kleines Problem gibt es da: Während der WM, die am Freitag beginnt, trägt die große National Hockey League (NHL) ihre Playoffs aus, die besten Spieler der Welt kämpfen um den Stanley-Cup. Und eine kleine WM, bei der viele Profis mitmachen, die in der NHL in diesem Jahr bereits gescheitert sind, ist für die Elite-Liga kein Anlass, ihren Spielbetrieb zu unterbrechen.

Deshalb verlegte die IIHF ihr Turnier in die Provinz. Nach Halifax und Quebec, in Städte ohne NHL-Teams. Steht die WM nicht auch dort im Schatten der NHL? "Ja, eindeutig", meint Bundestrainer Uwe Krupp, der in seiner Karriere als Spieler 810-mal in der NHL aufgelaufen ist. "Aber die Weltmeisterschaft hat auch in Kanada an Ansehen gewonnen. Die Kanadier sind patriotisch, wenn sich ihre Spieler unter der Flagge präsentieren, ist es ein Event", sagt Krupp.

Kanada startet am Freitagabend mit einer Partie gegen Slowenien. Das deutsche National-Team bestreitet sein erstes Spiel am Samstag gegen Finnland (21.30 Uhr, DSF), weitere Vorrundengegner sind die Slowakei (6. Mai) und Norwegen (8. Mai). Für die deutsche Mannschaft sollte es - wie gewohnt - in erster Linie darum gehen, nicht in die Abstiegsrunde zu geraten. Dazu muss in der Vorrunde mindestens ein Sieg her, und das heißt: Krupps Auswahl sollte möglichst Norwegen schlagen, einen etwa gleichwertigen Gegner. Krupp traut seinen Spielern einerseits Überraschungen gegen die Spitzenteams Finnland und Slowakei zu: "Wir haben eindeutig das Potenzial, ins Viertelfinale zu kommen." Andererseits warnt der 42-Jährige: "Aber wir haben genauso das Potenzial, in die Abstiegsrunde zu rutschen."

Im vergangenen Jahr erreichte das deutsche Team bei der WM in Russland ohne NHL-Profis Rang neun. Diesmal sind mit Dennis Seidenberg (Carolina), Christoph Schubert (Ottawa) und Angreifer Marco Sturm (Boston) drei Spieler aus der großen Liga dabei. "Die drei machen uns besser, aber sie allein halten uns nicht aus der Abstiegsrunde raus. Sie brauchen eine Mannschaft um sie herum, die ihr absolut bestes Eishockey spielt - so, als wären sie gar nicht dabei", sagt Krupp.

Und dann gibt es da noch einen ganz besonderen Fall: Mit dem Berliner Stürmer Florian Busch steht erstmals ein Profi im deutschen Team, der eigentlich gar nicht mitspielen dürfte. Zumindest dann, wenn sich der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) an das Reglement der nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) gehalten hätte. Busch hatte Anfang März einen Dopingtest abgelehnt und ihn fünf Stunden später auf eigene Faust nachgereicht. Die Nada, deren System auf unangemeldeten Kontrollen basiert, wertet Testverweigerer als Dopingsünder. Das hätte für Busch eigentlich mindestens ein Jahr Sperre bedeutet. Der DEB jedoch mochte den 23-jährigen Busch, einen der besten deutschen Angreifer, lieber nicht sperren und verhängte stattdessen eine Geldbuße von 5.000 Euro und 56 Stunden gemeinnützige Arbeit.

Die Nada will dem DEB das eigenmächtige Vorgehen natürlich nicht durchgehen lassen und hat inzwischen die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada eingeschaltet. Krupp sieht den DEB trotzdem im Recht: "Florian hat einen gigantischen Fehler gemacht, aber für uns ist er kein Dopingsünder. Es war dumm, falsch, aber menschlich, so etwas kann passieren", findet der Bundestrainer, dem das Nada-Kontrollsystem ohnehin als zu hart erscheint: "Wenn du als Leistungssportler 24 Stunden Abmeldefrist für die Kontrollen der Nada hast, ist deine Lebensqualität um 60 Prozent beeinträchtigt. Normalerweise werden so nur Freigänger behandelt. Aber wir machen es, nur kann man nicht ausschließen, dass bei diesen andauernden Kontrollen mal was schiefläuft. Im Fall Busch ist es halt schiefgelaufen."

In Montreal prüfen zurzeit die Wada-Juristen den Fall Busch. Möglicherweise wird die Anti-Doping-Agentur in den nächsten Tagen, also während der Jubiläums-WM in Kanada, den Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne anrufen, der dann ein endgültiges Urteil fällt.

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