überleben in berlin (6): Pilzalarm für die Ulme

"Es gibt bundesweit nur noch wenige größere Bestände mit stärkeren Bäumen"

Die Großstadt verdrängt viele Tier- und Pflanzenarten. Andere gewöhnen sich an den Trubel - und lassen sich hier nieder. Parallel zur Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Bonn stellt die taz einige bemerkenswerte Berliner vor.

Andreas Reichling hat die beste Übersicht über den Bestand der Ulmen in Deutschland. Er arbeitet für die Landesforstanstalt im brandenburgischen Eberswalde, die im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums bundesweit Ulmen erfasst und charakterisiert.

Und um es gleich vorwegzuschicken: Es sieht nicht gut aus für die Ulme. "Die Bestände von Berg- und Feldulme sind seit Anfang des letzten Jahrhunderts von zwei Wellen der Ulmenkrankheit stark dezimiert", sagt Reichling. Und das nicht nur in Berlin: "Es gibt bundesweit nur noch wenige größere Bestände mit stärkeren Bäumen."

Die Verantwortung dafür trägt der Mensch: Im Jahr 1918 brachte er den Pilz Ophiostoma ulmi aus Asien nach Europa. Die fadenförmigen Zellen des Pilzes verstopfen die Gefäße der Ulme. Gerade die Ulmen, die das Wasser durch nur wenige, dafür aber umso größere Gefäße im Stamm nach oben transportieren, sind dafür besonders anfällig: Die von dem Pilz befallenen Bäume trocknen langsam aus. Erst färben die Blätter sich gelb oder braun, dann rollen sie sich zusammen. Der Baum welkt dabei zuerst oben an der Krone.

Ein Ansatz, das Ulmensterben aufzuhalten, ist der Ulmensplintkäfer, denn der überträgt den Pilz. Es gilt also, die Feinde des Käfers zu stärken: Raubwanzen und Erzwespen.

Der andere Ansatz sind Züchtungen, die resistent gegen den Pilz sind. Das Vorbild hier sind asiatische Arten, die viel Zeit hatten, sich an den Pilz zu gewöhnen und deswegen besser mit ihm klarkommen. Bis in die Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts klappte das auch - vor allem aus den Niederlanden kamen resistente Züchtungen. Doch dann kam über einen Import aus Amerika eine noch aggressivere Variante des Pilzes nach Europa.

Das Problem bei diesen Züchtungen ist aber: Die natürliche Vielfalt geht verloren. Die Gene der Ulmen werden immer gleichförmiger. Aber schützenswert ist nicht nur die Ulme als eine Art von vielen Arten, sondern genauso die vielen Genvarianten der Ulmen. Denn nur ein breit gefächerter Genpool macht eine weitere Evolution möglich.

Michael Rohde, Gartendirektor des Parkes Sanssouci, wagt angesichts des zunehmenden Pilzbefalls eine Prognose: Das Ulmensterben wird dazu führen, dass es diese Art irgendwann gar nicht mehr in den Parks geben wird.

Ein besonders schönes Exemplar der Flatterulme im Friedrichshagener Müggelpark fiel im April vergangenen Jahres dem Pilz zum Opfer. Der Baum, der als Naturdenkmal ausgewiesen war, hatte eine Höhe von 23 Metern, der Stamm hatte einen Umfang von 3,16 Metern. Das Amt für Umwelt und Natur des Bezirks hatte das Gutachten eines externen Sachverständigen eingeholt, der zu dem Ergebnis kam: Das Risiko, dass der Baum umstürzt oder bricht, sei so hoch, dass das Risiko für Spaziergänger nicht zu tragen sei. Am 19. April 2007 fiel der Baum - und mit ihm sein Pilz - der Kettensäge zum Opfer.

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