Ethnologe Horn über afghanische Hilfsprojekte: Kamellewagen im Panzerkonvoi

Alfred Horn von der Hilfsorganisation "Help" erklärt, warum die Kooperation von zivilen Projekten und Militär in Afghanistan nicht funktioniert.

Leben unter militärischer Aufsicht. Bild: dpa

taz: Herr Horn, die zivil-militärische Zusammenarbeit in den Provincial Reconstruction Teams (PRTs) in Afghanistan gilt Politikern und Militärs als zukunftsweisend. Welche Erfahrungen machen Sie damit in Herat im Westen Afghanistans?

Alfred Horn: Das Konzept der PRTs ist eine Sackgasse. Es löst die Probleme nicht, sondern vermehrt sie. Die Verwischung von Zuständigkeiten zwischen militärischem Kommando und zivilen Hilfsdiensten lähmt beide Seiten. Tatsächlich werden wir NGOs in die Zange genommen, nur noch das zu planen, was in ein militärisch definiertes Konzept passt. Dies verunsichert auch die Bevölkerung.

Die Bundeswehr argumentiert, die zivilen Helfer bräuchten militärischen Schutz.

Das ist falsch. Ein Rundumschutz ist ohnehin nicht möglich. Durch sporadische Patrouillen wird die Sicherheit ziviler Helfer hier nicht grundsätzlich gewährleistet. Im Gegenteil. Wenn - wie in einem unserer Schulbauprojekte - auf einmal US-Militär zur Abnahme des Baus auftaucht und dabei martialisch gepanzert und bewaffnet ist, gelten wir Helfer ab dem Moment als verlängerter Arm des Militärs. Auch wenn das PRT nur ein einziges Mal auftaucht: In der täglichen Arbeit sind Afghanen und internationale Helfer von da an gebrandmarkt und möglichen Angriffen von Taliban ausgesetzt.

Wieso machten Sie mit?

Wir waren über das Kommen des PRTs nicht informiert. Ich habe danach eine Protestnote geschrieben und würde so etwas kein zweites Mal mitmachen.

Arbeitet die Bundeswehr mit ihren PRTs im Norden genauso?

Das weiß ich nicht aus eigener Anschauung, doch dürfte der Unterschied graduell sein. Sicher ist, dass die Bundeswehr im Norden internationale Hilfsprojekte militärisch absichert und sich in Hilfsprojekten engagiert. Damit verschwimmen die Grenzen, wer was ist und wer was macht. Mittlerweile haben sich viele deutsche Organisationen auch deshalb aus dem Norden zurückgezogen. Ein Auslöser war sicher der unaufgeklärte Mord an unserem Mitarbeiter Dieter Ruebling.

Ist es nicht erstrebenswert, wenn die Bundeswehr Schulen und Brunnen baut?

Die Frage ist, ob Soldaten Brunnen und Schulen bauen müssen. Das können zivile Ingenieure und Fachkräfte besser und billiger. Ich finde es unerträglich, dass Steuergelder für zivile Projekte immer stärker über die PRTs verwaltet werden. Deutsche NGOs werden gedrängt, sich diesem Muster anzuschließen. Wir mussten einigen Druck aushalten, um unsere Arbeit hier in Herat weiterzuführen. Die Bundeswehr und einige Ministerialbeamte wollten uns lieber im Norden unter einem Dach mit der Bundeswehr sehen.

Wie sah dieser Druck aus?

Subtil. Mittlerweile ist klar, dass die Entscheidung im Westen zu bleiben und nicht dem Tross der Bundeswehr zu folgen, richtig war. Unsere langjährige Netzwerkarbeit und das Vertrauensverhältnis zu unseren afghanischen Partnern zahlt sich aus.

Fühlen Sie sich sicher?

Nein. Aber schlussfolgern Sie nicht, dass ich militärischen Schutz oder ein gepanzertes Fahrzeug brauche. Ich mache einen großen Bogen um alle PRTs und Konvois.

Machen PRTs und zivil-militärische Zusammenarbeit Afghanistan also unsicherer?

Das Primat des Zivilen wird zurzeit in der humanitären Arbeit ad absurdum geführt. Unser Beitrag wird tendenziell zu dem eines "Kamellewagens in einem Panzerkonvoi", wobei die zivilen Helfer zu unfreiwilligen Schießbudenfiguren mutieren. Besser wäre, wenn die NGOs ausbilden und die Zivilgesellschaft fördern, während die Militärs kämpfen, sichern und ihre Alliierten ausbilden.

INTERVIEW: MARTIN GERNER

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