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Papa-Viewing in Berlin-PrenzlbergGegen Frust hilft die Rennbahn

Bionade statt Bierleichen - beim Fußballgucken für Väter und ihre Kids im Berliner Stadttteil Prenzlauer Berg geht es kultivierter zu als beim üblichen Public Viewing.

Jubeln wie die Großen - nur ohne Bierleichen. Bild: dpa

Mitten im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, 17.45 Uhr. Keine grölenden Fanhorden, dafür ein paar Väter, die Hand in Hand mit ihren Kids zum Papa-Viewing schlendern. Zusätzlich zur großen Leinwand gibts hier Spielzeug, einen Kicker und zwei große Rennbahnen.

Der Plan erscheint simpel: Quengelnde Kinder können sich jederzeit ablenken, während sich Papa bei einer gepflegten Bionade am EM-Spektakel erfreut. "Meine Kinder halten selten 90 volle Minuten durch", erzählt Markus Geiler. "Deswegen finde ich das hier super."

Heute ist die Papa-Kind-Gemeinde auf 55 angewachsen, sogar ein paar Mamas sind mitgekommen. Der Anpfiff geht unter, Organisator Marc fragt: "Wer will einen Biodöner?" Hier, hier, hier! Elf Döner, viermal Pommes, und ab zum Spiel. Vielleicht spüren die Kids das, was ihre älteren Begleiter nicht wahrhaben wollen. So ist nach acht Minuten eine Kickerrunde - auch hier spielt Weiß gegen Blau - im vollen Gange.

Das erste Tor für die Kroaten. Ein kleines Mädchen jubelt so lange, bis Papa erklärt, dass die Falschen getroffen haben. Das hat natürlich der 7-jährige Nino im Poldi-Trikot sofort gecheckt und lenkt sich erst mal auf der Rennbahn ab. "Poldi trifft noch, da bin ich mir sicher", meint er.

Poldi kommt an, auch bei Kimana und Lara. Die beiden Schwestern bombardieren Papa Marc in der Halbzeit mit Fragen. "Wie stehts? Wie lange gehts noch? Spielst du jetzt mit uns?" Nein, denn dafür ist auch in der Halbzeit keine Zeit, Papa muss jetzt die Döner verteilen.

Frisch gestärkt gehts in die zweite Halbzeit. Die Eltern bangen, die Kids spielen. Der Niederschlag, das 2:0. Fußball mal völlig anders. Statt über die Unfähigkeit der eigenen Truppe zu fluchen, ringen die Papas nach sachlichen Erklärungen à la "Da haben die Weißen nicht aufgepasst, aber das schaffen die noch!"

Dann trifft Poldi, Fan Nino jubelt, Kimana schreit: "Das war er, das war er!" Spannung kommt auf. Die letzten Minuten kehren die meisten Kids ihren Spielgeräten den Rücken, jetzt wird gemeinsam gebangt. Doch vergebens, der Schlusspfiff. Die Papas gucken traurig, resigniert. Den Kids ist das Ganze nicht so wichtig. Kimana strahlt ihren Papa an, meint: "Komm, dann spielen wir eine Runde Rennbahn." Gesagt, getan. Erfolgreiche Frustbewältigung beim Papa-Viewing.

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