Medienpolitiker-Match ums Internet: Ein Spiel voller Eigentore

Die Auseinandersetzung um den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist in die Verlängerung gegangen. Zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Verlegern steht es aktuell 3:3. Ein Spielbericht.

Den jüngsten Schuss ins Knie des eigenen Verlegerlagers zelebriert dieser Tage Springer-Chef Mathias Döpfner - unhaltbar für Verleger-Keeper Heinen. Bild: ap

Kommunikationsunternehmen, so lautet eine alte Binsenweisheit, können nichts so schlecht wie in eigener Sache nach innen oder außen kommunizieren. Und waschechte Medienunternehmen sind noch ein bisschen schlimmer, was die aktuelle Auseinandersetzung über die neuen Spielregeln für ARD, ZDF & Co im Internet zeigt. Den jüngsten Schuss ins Knie des eigenen Verlegerlagers zelebriert dieser Tage Springer-Chef Mathias Döpfner. Ein Spielbericht

Anstoß ZDF: Auf den anstaltseigenen Mainzer Tagen der Fernsehkritik kickt sich der sonst als sanfte Seele auftretende ZDF-Intendant Markus Schächter in Rage und spricht mit "heiligem Zorn" von "Zensurverdacht" und "Maulkorb": Denn der durchgesickerte Entwurf für den neuen Rundfunkstaatsvertrag der Bundesländer, der die Spielregeln im Online-Zeitalter neu regeln soll, sieht Beschränkungen für ARD und ZDF vor, Schächter schäumt über "willkürliche Amputation". Die Medienpolitik als Schiedsrichter sieht sich vorgeführt. Spielleiter Kurt Beck (SPD), im Kreis der Ministerpräsidenten für Medienpolitik zuständig, findet beruhigende Worte. Hinter den Kulissen ist man im Lager der Unparteiischen sauer: "Herr Schächter hätte sich mit seiner Kritik besser an seine Freunde von der Union gewandt", wird Becks Staatssekretär Martin Stadelmaier später sagen. Erstes Eigentor: das ZDF.

Verlage und Verleger kontern aufgeschreckt: Von der "Enteignung der freien Presse" durch ARD und ZDF schreibt diesmal nicht nur die FAZ. Derart überzogenes Gekreisch im Mittelfeld, das sich den April über hinzieht, geht der Medienpolitik zunehmend auf den Geist. Zweites Eigentor: die Verleger.

In dieser Lage wagt sich die ARD aus der Deckung. Einwurf SWR - Ende April läuft der Aufklärungsfilm "Quoten, Klicks und Kohle" über die schöne neue Onlinewelt - ein "Beitrag zur Aufrüstung im Kalten Medienkrieg" (taz), "Dauerwerbesendung" (Spiegel), "absurd propagandistisch gefärbter Fernsehbeitrag" (FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld). Zwar sind die Verlegerblätter Partei. Doch das dritte Eigentor macht: die ARD.

Die Verleger-Equipe fühlt sich bestärkt und wechselt im Sturm: Statt FAZ-Hanfeld läuft beim Medientreffpunkt Mitteldeutschland Zeitungsverleger-Präsident Helmut Heinen auf und erklärt, man könne pragmatisch über alles reden. ARD-Chef Fritz Raff verkauft die Unglücks-Flanke als Beinahe-Einigung. Viertes Eigentor: die Verleger.

Doch dann attackiert der NDR: "Panorama", das "Urgestein" der ARD-Politmagazine, sprintet am 15. Mai nach vorn. Tenor: "Verleger in der Offensive - Online-Filmarchive sollen gelöscht werden". Der Filmbeitrag ist mittlerer Schwachsinn und verübt ein klares Foul am Journalismus. Die Medienpolitik reagiert mit der Gelben Karte, auch der ARD-Teamchef ringt wegen dieser Einzelaktion die Hände. Und der Ball landet im Tor: der ARD.

Zur Halbzeit schöpfen die Verleger daher wieder Hoffnung. Das Spiel läuft schließlich bis zum 12. Juni, dann treffen sich die Ministerpräsidenten zur Entscheidung. Also hagelt es in der Pause Interviews mit ARD/ZDF-Kritikern: Burda (anderer Velegerpräsident), Beckstein (CSU-Ministerpräsident), Reding (EU-Kommissarin). Ausnahmsweise mal keine Eigentore.

Der vierte Offizielle mischt sich ein: Günther Oettinger (CDU) versucht bei der CDU-Medianight Anfang Juni in Anwesenheit der Kanzlerin den Videobeweis, was der ARD denn online nun erlaubt sein soll: Zum Bodensee-"Tatort" Info zu Wein aus Überlingen ja, über Wein aus Südafrika nein. Weil sich Oettinger schon vorher durch klare Schiedsrichterfehler blamiert und RTL 2 mit Super RTL ("Scheiß-Privatfernsehen") verwechselt hat, eigentlich unmögliches Eigentor: der Medienpolitik.

Am 12. Juni geht das Spiel deswegen trotz klarer Vorteile für das Verlegerlager in die Verlängerung: Die Medienpolitik braucht noch bis zum Herbst. Die Verleger bringen Mathias Döpfner (Springer), der aber plötzlich die Seiten wechselt und aufs eigene Tor stürmt: Wenn sie dafür auf Werbung verzichten, dürften ARD und ZDF "im Internet inhaltlich tun und lassen, was sie wollen", sagt Döpfner im aktuellen Spiegel - unhaltbar für Verleger-Keeper Heinen.

Spielstand aktuell: Öffentlich-Rechtliche - Verleger 3:3. Und damit zurück ins Studio.

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