Politik und die Euro 2008: Angela Merkel, Fußball-Kanzlerin

Die Kanzlerin geht ins Stadion und gestattet sich eine "Laienmeinung". Zum Fußball. Und das, obwohl sie eine Frau ist. Manche meinen, Merkel instrumentalisiert die EM. Wo kämen wir denn da hin?

Merkels Laien-Strategie: Da sollen mal die Männer so tun, als verstünden sie was vom Fußball - hier Verteidigungsminister Jung und Kanzlerkollege Gusenbauer. Bild: ap

Fußball ist eine Kanzlerdomäne. Das bedeutet, dass Kanzler sich für Fußball interessieren, Kanzlerinnen nicht. Das galt als ausgemacht. Bis die erste Kanzlerin kam. Angela Merkel interessiert sich ja wohl doch irgendwie für Fußball, wie Bastian Schweinsteiger ("Frau Merkel hat Ahnung") in Bild berichtete, sie selbst im SZ-Interview ("Offenbar haben viele nicht damit gerechnet, dass ich mich für Fußball interessiere") sowie Waldemar Hartmann ("Gestern hat sie Grün getragen, das Trikot von Jens Lehmann").

Dabei unterscheidet sich Merkel in der Rolle des Fußballkanzlers, was die Grundidee des Jobs angeht, nur in wenig von ihren Vorgängern. Helmut Kohl rollte bei der WM 1986 nach dem Spiel in die Kabine, um seine Mannen zu umschlingen. Gerhard Schröders biografische Erzählung fußt auf der Geschichte des Fußballarbeiters, den sie "Acker" nannten, weil er besser ackern als rasen konnte. Und Edmund Stoiber unterscheidet sich von ihnen allen nur dadurch, dass er nicht Kanzler wurde. Das Spiel "verloren zu haben, ist zwar bitter, aber nicht so bitter", sagte der Patriot nach dem WM-Finale 2002, die Wahl war nah. Das klang fachmännisch.

Merkel dagegen klingt nicht fachmännisch, sie klingt nicht mal fachfrauisch. "Wenn ich mir eine Laienmeinung gestatten darf …", antwortet sie auf Fußballfragen. Und damit ihr niemand unterstellen möge, ihr Interesse sei geheuchelt, wenn sie dann trotz ihrer Laienhaftigkeit das Stadion besucht, schickt ihr Regierungssprecher Ulrich Wilhelm eine SMS, wenn sie mal nicht live dabei sein kann, wie gegen Portugal. Die "Tagesthemen" sind dann zufällig dabei und zeigen das Display im ersten Beitrag. Die eigentliche Botschaft der SMS: Die Kanzlerin muss die EU retten. Dafür verzichtet sie sogar darauf, vor Kameras im Stadion zu sitzen und mit Schweini zu schäkern.

Was sie von ihren Vorgängern, die sich Ahnungslosigkeit in Fußballdingen nie hätten erlauben dürfen, dann doch unterscheidet, ist, dass sie die Kanzlerin ist. Eine Frau im Stadion? Kann die vielleicht noch mehr? In einem ist Merkel allen Fußballexperten, die vor ihr Kanzler waren, so enteilt: Sie ist von allen Fußballkanzlern, die Deutschland je hatte, die mit der besten Volksannäherungsstrategie. Im Halbfinale will sie wieder dabei sein. Das ist sie ihrem Land schuldig.

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