Nach der Befreiung von Betancourt: Lösegeld-Gerücht hält sich hartnäckig

Von einer inszenierten Befreiung ist nach der Veröffentlichung des Videos durch Kolumbiens Militär nicht mehr die Rede. Fraglich bleibt dennoch, ob Lösegeld gezahlt worden ist

Ingrid Betancourt in Paris -mit ihren beiden Kindern Lorenzo Delloye Melanie Delloye. Bild: dpa

PARIS taz Ingrid Betancourt hat dem angeschlagenen französischen Präsidenten zu neuer Popularität verholfen. Die Politikone, die nach mehr als sechsjähriger Gefangenschaft direkt nach Paris gekommen ist, überhäufte den Staatspräsidenten mit Danksagungen und Komplimenten. Ein medizinischer Check-up der 46-Jährigen, die noch vor wenigen Monaten als "todkrank" galt, ergab, dass sie körperlich gesund ist. Das nährte in Paris neuerlich Zweifel an der abenteuerlichen Geschichte ihrer Befreiung. Die Recherche des Westschweizer Radios RSR erscheint manchen plausibler als die Version des kolumbianischen Verteidigungsministers.

Laut RSR hat es weder eine Infiltration der Farc gegeben, noch sind die Entführer überrumpelt worden. Vielmehr hätten sie Betancourt sowie drei US-amerikanische Agenten und elf kolumbianische Militärs gegen ein Lösegeld und die Zusicherung von Straffreiheit und Exil freigegeben. Danach wäre die Operation "Jacque" - Schach - eine reine Maskerade. Frankreichs Außenminister Kouchner versichert in einem Interview im Journal de Dimanche: "Ich habe nie etwas von Geld gehört. Und es hat eindeutig keine französische Zahlung gegeben. Es war eine geschickt vorbereitete Infiltration."

In Botogá wiederholte Verteidigungsminister Santos, die Operation sei "hundert Prozent kolumbianisch" und ein rein militärisch-geheimdienstlicher Erfolg gewesen. Er witzelte, dass 20 Millionen US-Dollar ein "günstiger Preis" gewesen wäre.

Das Westschweizer Radio hatte erklärt, 20 Millionen US-Dollar seien als Lösegeld an die Farc gezahlt worden. Die Kontakte zu dem Chef der Geiselnehmer seien über seine Anfang des Jahres gefangen genommene Frau zustande gekommen. Schon vor Wochen seien beide Seiten "handelseinig" gewesen. Der Termin für die als Überrumpelung getarnte Übergabe sei im letzten Moment vereinbart worden.

Am Vortag der Geiselbefreiung traf der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain zu einer dreitägigen Lateinamerikareise in Kolumbien ein. Laut der französischen Wochenzeitung Le Point erläuterte ihm der kolumbianische Präsident Uribe bei einem Treffen in Cartagena den Befreiungsplan für den nächsten Tag. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Operation erklärten die USA, dass die Operation gemeinsam vorbereitet worden sei.

In Frankreich sorgt das Angebot von Staatspräsident Sarkozy, reumütige Exrebellen der Farc aufzunehmen, für Aufregung. Denn gleichzeitig ist Paris dabei, reumütige Exrebellen der Roten Brigaden, die vor einem Vierteljahrhundert mit einem Angebot des verstorbenen Expräsidenten François Mitterrand nach Frankreich kamen, nach Italien abzuschieben. In diesen Tagen sitzt die Ex-Rotbrigadistin Marina Petrella, die sich mehr als 20 Jahre in Frankreich aufgehalten hat und unbehelligt blieb, in Abschiebehaft. Die französische Schriftstellerin Fred Vargas, die sich schon lange an der Seite der italienischen Schützlinge engagiert, fragt: "Warum soll für die Kolumbianer eine andere Moral gelten als für die Italiener?"

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