: Kein Helden-Fest für Neonazis
Bloß keine halben Sachen: 2.000 BürgerInnen stoppen den Aufmarsch von 1.600 Neonazis in Halbe und feiern ein Fest der Demokratie. Die Rechten müssen ihre Kränze nach Hause schleppen – statt auf dem Soldatenfriedhof ihrer Helden zu gedenken
von ULRIKE HEIKE MÜLLER und ULRICH SCHULTE
Von wegen größter Aufmarsch in der Geschichte der Bundesrepublik: 1.600 Neonazis schauten im brandenburgischen Halbe am Samstag mehr als bedröppelt aus der Lonsdale-Wäsche. 2.000 BürgerInnen stellten sich den Rechten in den Weg, sodass diese am Abend ihre Kränze wieder nach Hause schleppen mussten. Damit nahm das „Heldengedenken“ aus Sicht der Neonazis ein höchst unrühmliches Ende.
Dabei hatten sie sich schick gemacht, um 60 Jahre nach der Kesselschlacht von Halbe die NS-Wehrmacht zu verherrlichen – auf dem größten Soldatenfriedhof Deutschlands, so hatten sie es zumindest geplant: Sonnenbrillen, schwarze Klamotten, auf den Kranzschleifen steht „Kameradschaft Blankenhain“ oder „Märkischer Heimatschutz“, und mittendrin der Hamburger Neonazi und Organisator Christian Worch. Weit kamen sie nicht.
Eine lokale Initiative meldete an einer Kreuzung auf der Route zur Gräberstätte eine Spontandemo an. Hier zappeln blaue und rote Luftballons in der Luft, Breakdancer tanzen auf der Straße, Fahnen von Ver.di, der IG Metall, von Grünen, SPD und PDS wehen. Zu einem „Tag der Demokratie“ hatte ein breites Bündnis auf Landesebene eingeladen. Künstler wie Ulla Meinecke oder die Band Karat spielten zum Gesicht-Zeigen auf.
Der Neonazi-Aufmarsch hat das Städtchen mit 1.500 Einwohnern in einen Ausnahmezustand versetzt – wie schon in den Jahren zuvor. 1.600 Polizisten halten die beiden Gruppen auseinander, ein Hubschrauber kreist. Pfiffe schallen durch die Luft, als die Neonazis „Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht“ skandieren.
Um 16.45 Uhr droht die Situation zu kippen. 200 Neonazis stürmen auf die Absperrung los, manche rufen „Straße frei für die deutsche Jugend“. Doch die Polizei verhindert den Durchbruch, verstärkt danach die Sperre zwischen den Lagern. Gegen 19 Uhr waren die letzten Neonazis aus Halbe verschwunden.
An dem Demokratie-Fest nahmen Politiker wie etwa Brandenburgs Agrarminister Dietmar Woidke (SPD) teil. Die evangelische Generalsuperintendentin Heilgard Asmus sagte: „Nicht Ruhm, Ehre und Heldenverehrung sind die Koordinaten, wenn wir gewissenhaft gedenken, sondern die Würde des Menschen.“
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ließ sich entschuldigen, er musste den Koalitionsvertrag in der 60 Kilometer entfernten Hauptstadt vorstellen. Für ihn sprang Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ein und plädierte – ganz Exgeneral – für die Auseinandersetzung: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Halbe ein regelmäßiger Treffpunkt für Rechte wird.“ Bereits in der Schule müsse vermittelt werden, wohin Ideologien und Extremismus führen, so Schönbohm.
Doch die BrandenburgerInnen haben die Ermutigung des CDU-Hardliners nicht nötig. Der November, traditionell ein Monat verstärkter Rechtspropaganda, verläuft bisher nach der Devise: kurze Haare, noch kürzerer Marsch. Schon vor einer Woche hatten tausende Gegendemonstranten 250 Neonazis aus der Landeshauptstadt Potsdam geekelt.