piwik no script img

Sächsische NPD in BrandenburgBaden nur für Neonazis

Aus Angst vor Diebstählen lässt ein Brandenburger Unternehmer seinen Kies-See von NPD-Leuten bewachen. Die Partei sieht darin eine Chance, als Ordnungsmacht akzeptiert zu werden.

Schwimmen ist schöner ohne Nazis, finden die Leute in Ziescha Bild: dpa

POTSDAM taz Angefangen hat alles mit einer Diebstahlserie im Kieswerk. Zuletzt wurde ein 200 Meter langes Kupferkabel geklaut, das 12.000 Euro wert war. Da reichte es dem Kiesgrubenbesitzer Mirko Schüring aus dem brandenburgischen Dorf Zeischa. Er fand eine ungewöhnliche Lösung für sein Problem und heuerte sächsische NPD-Mitglieder als Wachmänner an.

Fünf Neonazis aus der Sächsischen Schweiz sind seit Anfang Juli mit dem Boot und zu Fuß auf Patrouille. Zutritt zum See erhalten jetzt nur noch Menschen, die ein NPD-Parteibuch vorzeigen können. Ende Juni erklärte der findige Unternehmer Schüring einem Lokalreporter, er sei durch die Diebstähle an den Rand seiner Existenz gedrängt und entließ vor den Augen des Journalisten umgehend elf seiner zwölf Angestellten. Schuld an seiner Misere gab er der Polizei, schließlich habe die versäumt sein Betriebsgelände ausreichend abzusichern. Als Rechtsradikaler möchte Schüring nicht bezeichnet werden. Er wolle nur sein Eigentum beschützen.

Schnell empörte die Neonazi-Postenkette die Anwohner, weil die nun nicht mehr in dem Kiessee baden dürfen. Auch Lokalpolitiker schimpfen auf die Wasserwacht. Als "faschistoid" bezeichnet etwa der südbrandenburgische SPD-Bundestagsabgeordnete Stephan Hilsberg das Verhalten Schürings. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verurteilt die Entscheidung, Neonazis als Schutz vor Kriminalität anzuheuern, als einen Tabubruch, der durch nichts zu rechtfertigen sei.

"Schüring spielt gefährlich mit dem Feuer, verschreckt die Anwohner und verbreitet Angst", sagt Susanne Kschenka vom Cottbusser Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus. Sie könne aber nicht sagen, ob es sich hier nur um einen Testballon zur Akzeptanz der NPD als Ordnungsmacht in der Bevölkerung handelt. Schließlich sind in Brandenburg im Herbst Kommunalwahlen. Und die NPD möchte das Bundesland zu einer ähnlichen Hochburg ihrer Partei machen wie Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern.

Für die rechtsextreme Partei ist die Kiesgruben-Posse natürlich ein grandioser PR-Coup. Dennoch ist Klaus Beier, NPD-Landesvorsitzender in Brandenburg und Sprecher der Bundespartei nicht ganz zufrieden mit der Aktion Schürings. Er versteht nicht, warum Schüring sich unbedingt sächsische NPD-Mitglieder als Wachmänner ins Boot holen musste. "Schließlich habe ich ihm auch NPD-Mitglieder aus Elsterwerda und Umgebung angeboten", sagt Beier. Dann hätte es nicht so eine Aufregung gegeben. Im Übrigen sehe man hier, dass die Partei Sicherheit und Ordnung schaffen könne und somit etwas mehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei.

Die Kiesgrube in Zeischa als Vorposten der NPD - das wiederum würde Thomas Richter, CDU-Bürgermeister aus Bad Liebenwerda gerne verhindern. Tun könne er allerdings kaum etwas, sagt Richter. Bei der Kiesgrube handle es sich um Privatgelände. Immerhin sind nach einem Gespräch zwischen Richter und Schüring alle elf entlassenen Mitarbeiter wieder eingestellt worden. Der Unternehmer hatte auch den Abzug der Wachmannschaft angekündigt - der aber bis heute auf sich warten lässt. Einen Grund dafür nennt Schürings Büro nicht. Der Kiesgrubenbesitzer selbst weile im Ausland.

Unterdessen kümmern sich Stadt, Polizei und Anwohner rürig um Schürings Sorgen. In mehreren Krisengesprächen versuchen sie gemeinsam herauszufinden, wie man Diebe von der NPD-Grube fernhalten kann. So sollen unter anderem illegale Zufahrtswege blockiert und das Parken erschwert werden. Für Schüring hat sich der Kampf gegen Rechts gelohnt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • S
    Sinon

    Ganz ehrlich: die idee ist nicht blöd. wenn die geschichte stimmt und die polizei wirklich nichts erreicht hat, dann kann man dem guten mann eine clevere strategie zu gute halten. indem er die NPD anstellte, hat sich endlich jemand um sein problem gekümmert. hätte ich dort ebenfalls ein problem mit schleppender polizeiarbeit oder dergleichen, würde ich auch der strategie folgen. im grunde ist das nicht weiter als erpressung: helft mir, oder ich lasse mir von leuten helfen, von denen ihr garantiert nicht wollt, dass sie gute publicity bekommen.

  • S
    Sinon

    Ganz ehrlich: die idee ist nicht blöd. wenn die geschichte stimmt und die polizei wirklich nichts erreicht hat, dann kann man dem guten mann eine clevere strategie zu gute halten. indem er die NPD anstellte, hat sich endlich jemand um sein problem gekümmert. hätte ich dort ebenfalls ein problem mit schleppender polizeiarbeit oder dergleichen, würde ich auch der strategie folgen. im grunde ist das nicht weiter als erpressung: helft mir, oder ich lasse mir von leuten helfen, von denen ihr garantiert nicht wollt, dass sie gute publicity bekommen.

  • S
    Sinon

    Ganz ehrlich: die idee ist nicht blöd. wenn die geschichte stimmt und die polizei wirklich nichts erreicht hat, dann kann man dem guten mann eine clevere strategie zu gute halten. indem er die NPD anstellte, hat sich endlich jemand um sein problem gekümmert. hätte ich dort ebenfalls ein problem mit schleppender polizeiarbeit oder dergleichen, würde ich auch der strategie folgen. im grunde ist das nicht weiter als erpressung: helft mir, oder ich lasse mir von leuten helfen, von denen ihr garantiert nicht wollt, dass sie gute publicity bekommen.