Nach der Freilassung der Geiseln: Der PKK drohte ein mediales Fiasko
Mit der Freilassung der drei Deutschen will sich die Führung von islamistischen Extremisten unterscheiden.
ERBIL taz Auch wenn noch vieles um die Entführung der Deutschen am Ararat im Dunkeln liegt. Fest steht: Die PKK-Führung hat die Zügel in der Hand. Sie hat erkannt, dass die Entführung von europäischen Zivilisten nicht nur der PKK, sondern dem Anliegen der Kurden in der Türkei um mehr politische und kulturelle Rechte mehr schadet als nützt. Der PKK drohte im Kampf um die "Herzen und Köpfe" ein mediales Fiasko. Statt als "Befreiungsbewegung", als die sie sich gerne apostrophiert, fand sie sich auf einmal in der gleichen Liga wie die islamistischen Extremisten im Irak oder Afghanistan. Da halfen auch Angaben von den zurückgekehrten Alpinistengruppe nicht, dass sie von den Rebellen beinahe höflich behandelt worden seien.
Deshalb ging die PKK-Führung auf Distanz zu den Entführern. Gegenüber der taz erklärte ein hochrangiger Sprecher, die PKK lehne die Geiselnahme ab. Die Verantwortung für die kriminelle Tat läge einzig bei der Guerilla-Einheit am Ararat. Wenige Stunden später verbreitete die PKK-Führung über die Nachrichtenagentur Firat eine gleichlautende Erklärung. Damit nährte die PKK Gerüchte, wonach in ihren Reihen ein Machtkampf tobt. Bahoz Erdal, Kommandant der Volksverteidigungskräfte, des bewaffneten Arms der PKK, habe Gefolgsleute der PKK-Führung um Murat Karayilan liquidieren lassen, berichteten türkische Medien.
Im Zab-Gebiet, das an der Grenze zur Türkei im Nordirak liegt, findet sich eines der Rebellenlager im kurdischen Teilstaat. Mit mehreren Offensiven hat die türkische Armee in den letzten Monaten versucht, den Rebellen einen entscheidenden Schlag zu versetzten. Diese haben darauf zahlreiche Kämpfer in die Türkei abgezogen. Wie geschwächt die PKK dadurch tatsächlich wurde, lässt sich schwer sagen. Fest steht jedoch, dass ihre Kommunikationskanäle nicht mehr so gut funktionieren wie früher. Die Führungsriege hält sich versteckt und geht Gesprächen mit Journalisten aus dem Weg. Deshalb hat die Order, die Geiseln freizulassen, die Kämpfer am Ararat vielleicht erst über Umwegen erreicht. Der Ararat liegt mehrere 100 Kilometer entfernt. Ein Hinweis auf einen Machtkampf ist das nicht.
Zwar tobte in der PKK nach der Verhaftung von Abdullah Öcalan im Jahr 1999 ein jahrelanger Richtungsstreit, in dem auch namhafte Mitglieder ermordet wurden oder sich absetzten. Doch diesen haben die Rebellen vor ein paar Jahren beigelegt. Die PKK-Führung sucht nach einem Weg, Ankara zu Verhandlungen zu bewegen. Das lässt sich mit Geiselnahmen nicht erreichen. Möglicherweise stecken hinter der Entführung ganz andere Motive. Für die Bergtouren am Ararat würden sich die Reiseveranstalter die Genehmigung der Rebellen einholen, sagte der PKK-Sprecher. In zynischer Umkehr warf er den Süddeutschen vor, sie hätten dies versäumt. Sollte die PKK tatsächlich am Bergtourismus verdienen, ist dies für Alpinisten keine gute Nachricht.
INGA ROGG
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