Stinkende Kanalisation: Berlin braucht ne Spülung

Seit dem Hitzeeinfall dringen aus Gullydeckeln üble Gerüche. Schuld sind die Urlauber: Die wenigen in Berlin verbliebenen Menschen verbrauchen nicht genug Wasser, um den Dreck wegzuspülen.

Ah, Wasser! Bild: REUTERS

Seit Tagen klagen die Menschen über unangenehme, oft süßliche Gerüche aus der Kanalisation. Ursache sind der geringe Wasserverbrauch in der Ferienzeit - und die wohl überlegte Sparsamkeit der Berliner. Denn Wasser wird immer teurer, obwohl die Stadt genug davon hat. Kritiker machen die teilprivatisierten Wasserbetriebe dafür verantwortlich. Diese dächten nur an ihre Rendite.

Smog, Hundekot, gärender Müll - den Berlinern stinkts in der Sommerzeit gewaltig. Und als ob es mit den Ausdünstungen nicht genug wäre, dringt seit Tagen aus den Gullydeckeln unangenehmer Geruch. "Wenn ich auf dem Balkon sitze, riecht es, als ob einer ein Feld gedüngt hätte", sagt die Lichtenbergerin Rita Müller. "Ich bin ja von Berlin einiges gewöhnt, aber so extrem kenne ich das nicht." Anwohnern und Besuchern in Mitte, Kreuzberg und Neukölln geht es ähnlich.

Für die Duftkonzentration in den zentralen Bezirken gibt es im Wesentlichen vier Gründe. Die hohen Temperaturen beschleunigen Zersetzungsprozesse in den Abwasserrohren, es gammelt und gärt mehr und schneller als sonst. Weil es seit Tagen nicht geregnet hat, werden die Substanzen in den Kanälen nicht weggespült, sondern bleiben haften und stinken weiter.

Der fehlende Wind lässt die Belastung massiver erscheinen, als sie ist. Alle 60 Meter ist ein Kanaldeckel in die Straße eingelassen - ein Schornstein für die darunterliegenden Rohre, wie der Sprecher der Berliner Wasserbetriebe, Eike Krüger, erklärt. Und wenn Restaurants ihre Fettabscheider nicht ausreichend warten, gelangen die Überreste der Großküchen in die Rohre. Das Fett wird hart und gammelt. "Das riecht dann richtig intensiv", sagt Krüger.

Vor allem aber sind wegen der Schulferien weniger Menschen als sonst in der Stadt. Entsprechend niedriger ist der Wasserverbrauch. Und wenn die Berliner ihre Leitungen anzapfen, dann oft, um Garten und Balkonblumen zu gießen - davon profitieren die Pflanzen, nicht aber die Rohre.

Ohnehin hat der Verbrauch seit der Wende kontinuierlich abgenommen, der Gesamtkonsum der Stadt ist im Vergleich zu 1989 fast um die Hälfte gesunken. Zum einen ist das auf den Wegfall großer Teile der industriellen Produktion zurückzuführen, zum anderen funktionieren die meisten Haushaltsgeräte heute deutlich sparsamer.

Grundsätzlich ist die Stadt somit in einer bequemen Lage: Unabhängig von der demografischen Entwicklung und dem Klimawandel kann sie den Wasserbedarf auf längere Sicht aus den eigenen Ressourcen decken. Derzeit aber ist Berlin durch den geringen Verbrauch jedoch auch anfälliger für Gestank als andere Städte. Die Wasserbetriebe zapfen deswegen bereits häufiger Hydranten an, um die Rohre durchzuspülen, und haben in einigen Straßenzügen zu "deodorierenden Maßnahmen" gegriffen, wie Krüger erklärt: "Wo es besonders schlimm ist, setzen wir Gelmatten oder spezielle Salze ein."

Die Berliner selbst können nach Einschätzung von Experten wenig tun. Eine Sprecherin von MC Wetter sagt lakonisch: "Wir leben eben in einer Großstadt." Eine Sprecherin des Umweltamts Mitte erklärt, die Menschen müssten auf Regen warten. Selbst wenn jeder nun nach dem ersten Duschbad ein zweites nehmen würde, würden die Rohre nicht ausreichend gespült, fügt Wasserbetriebe-Sprecher Krüger hinzu. "Es sind nicht so viele Leute da." Für einen übermäßigen Umgang mit der kostbaren Ressource gebe es keinen Grund. Es sei denn, jemand verspüre Lust auf doppeltes Duschen.

Auch David Hachfeld von der Initiative Berliner Wassertisch warnt vor einem unvernünftigen Wasserverbrauch: "Einen solchen Ansatz halten wir für komplett falsch." Hachfeld fordert die Wasserbetriebe vielmehr auf, sich langfristig auf den sinkenden Bedarf in Berlin einzustellen. Es gehe darum, passende technische Lösungen für die Rohrleitungen zu finden.

Den in der Stadt verbliebenen Berlinern bleibt offenbar nur übrig, öfter mal die Nase zuzuhalten. Oder selbst in Urlaub zu fahren, bis es wieder regnet.

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