Daniel Cohn-Bendit über Olympia: "Merkel verlogen wie Berlusconi"

Der Grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit vergleicht Peking 2008 mit den Nazi-Spielen von Berlin und fordert das IOC auf, Russland und Georgien von den Spielen auszuschließen.

Merkel hätte der Eröffnungsfeier aus politischen Gründen fernbleiben müssen, meint Cohn-Bendit. Bild: dpa

taz: Herr Cohn-Bendit, während das olympische Feuer als Zeichen des Friedens und der Völkerverständigung entzündet wird, bläst Russland zum Angriff. Krieg und Spiele - sehen Sie einen Zusammenhang?

Daniel Cohn-Bendit: Konsequent wäre, wenn das Internationale Olympische Komitee Russland und Georgien von den Spielen ausschließt. Denn beide Länder halten sich nicht an den in der Charta formulierten olympischen Frieden. Aber leider wird es niemand tun. Und deshalb bleibt das nur eine Idee.

Dass Russland ausgerechnet während der Eröffnungsfeier einen Krieg beginnt, zeigt doch, dass der olympische Geist endgültig zur Farce verkommen ist.

Dieser Geist existiert schon lange nicht mehr. Das fängt schon damit an, dass die Sportler in Peking nicht mal ein Bändchen tragen dürfen mit dem Spruch: "Wir wollen eine bessere Welt."

Und nun hat das chinesische Militär nach Anschlägen auch eine Stadt in Xinjiang abgeriegelt. Was muss noch passieren, bis die Spiele abgeblasen werden?

Das wird nicht geschehen, weil die heutigen Spiele mit dem olympischen Geist so viel zu tun haben wie ich mit dem Papst.

Wie politisch sind die Spiele?

Sie sind nur noch in dem Sinne politisch, als China diese Spiele für eine Machtdemonstration instrumentalisiert. Diese Spiele sind der große Sieg der Kommunistischen Partei Chinas. Und die Mehrheit der Regierungen verneigt sich vor ihr.

Sie klingen resigniert.

Es gibt eine Faszination des Sports, egal wie sehr er von den Regierungen instrumentalisiert wird. Die einzige Chance, diese Instrumentalisierung einzudämmen, wäre, die Spiele aus den Händen der Regierungen zu nehmen. Die Sportler müssen wieder die Macht über den Sport ergreifen. Die US-amerikanischen Sportler haben Lopez Lomong zu ihrem Fahnenträger bestimmt, der aus dem Sudan stammt und als Kindersoldat in Darfur war. Das war ein politisches Signal der Sportler - gegen den Willen der amerikanischen Funktionäre. Das ist nicht viel, aber trotzdem gut.

Ist der Kotau der westlichen Staatschef der Grund, warum Sie die Chinareise des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy mit einem Handschlag mit Hitler verglichen?

Die Olympischen Spiele in China sind die gleiche politische Machtdemonstration eines totalitären Staates, wie es damals 1936 in Deutschland war. Damals hatte Deutschland viele Zusagen an das IOC gemacht, die nicht eingehalten wurden. China hält sich nun auch an keine Zusagen.

Wie ist der französische Präsident Nicolas Sarkozy einzuschätzen? Erst redet er vom Boykott, nun zeigt er sich "ziemlich glücklich", an der Eröffnungsfeier teilgenommen zu haben.

Sarkozy nimmt pflichtgemäß seine Rolle als EU-Ratspräsident war. Und in der Menschenrechtsfrage setzt die EU auf Dialog. Wenn mir Sarkozy versichert, dass er mit der chinesischen Seite die Liste mit den politischen Gefangenen verhandeln wird, die wir ihm mitgegeben haben, dann ist ein Zeichen gesetzt. Dies ist geschehen. Ob das geholfen hat, bleibt dahingestellt.

Macht es Bundeskanzlerin Merkel besser?

Sie ist genauso verlogen wie Berlusconi. Entweder sage ich, dass ich aus politischen Gründen die Eröffnungsfeier boykottiere. Oder ich sage gar nichts.

Aber auch die Grünen sind sich nicht einig. Antje Vollmer warnt vor einer Konfrontationspolitik gegenüber China. Volker Beck demonstriert gegen die chinesische Regierung.

Antje ist für ihre pazifistische Verbeugung vor Diktaturen als friedenserhaltende Maßnahme bekannt. Beck hat recht, sie hat unrecht.

Diese unschlüssige Haltung zieht sich doch quer durch alle Länder des Westens - und die Chinesen lächeln.

Sie hätten nicht mehr gelächelt, wenn die politischen Repräsentanten der freien Welt geschlossen die Eröffnungsfeier boykottiert hätten und nur noch Putin, Kim Jong Il, Chávez und Mugabe erschienen wären. Schade, dass das nicht geklappt hat.

Die Olympischen Winterspiele 2014 sind im russischen Sotschi. Abblasen?

Sotschi ist ein Ökoskandal und eine Viertelflugstunde vom Kriegsgebiet entfernt. Russland hat während der Spiele einen Krieg begonnen. Wenn das IOC wieder glaubwürdig werden will, sollte es die Verleihung der Olympischen Winterspiele an Sotschi überprüfen.

INTERVIEW:FELIX LEE

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.