Experte zum Datengipfel: "Adresshandel seit Jahren bekannt"

Datenschutzexperte Johann Bizer hält es für einen Skandal, dass die Politik zum Schutz von Daten so lange untätig war. Und warnt davor, dass Schäubles Datenschutzgipfel ein Fehlschlag wird.

Dubiose Geschäfte mit Daten und Adressen sind schon seit Jahren bekannt, meint Bizer. Bild: dpa

taz: Herr Bizer, am Donnerstag lädt Innenminister Schäuble (CDU) zum Datenschutzgipfel nach Berlin. Endlich finden alle, dass Datenschutz wichtig ist. Freuen Sie sich?

In Reaktion auf den illegalen Handel mit Millionen Verbraucherdaten hat Innenminister Wolfgang Schäuble einen Datengipfel in Berlin angesetzt. Für die Bundesregierung nehmen Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), Wirtschaftsminister Michael Glos (CDU) und Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) teil, als Vertreter der Länder wird der Brandenburger Jörg Schönbohm als Vorsitzender der Innenministerkonferenz kommen. Außerdem sind die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern eingeladen. Einigkeit besteht bei allen Beteiligten darin, Datenschutz verbessern zu wollen - doch wie das genau aussehen soll, darüber herrschen äußerst unterschiedliche Vorstellungen bei den Beteiligten.

Johann Bizer: Nur begrenzt. Die Politik muss sich fragen lassen, warum sie sich erst jetzt um die Missstände beim Adressen- und Datenhandel kümmert. Dass der Adresshandel in dubiosen Grauzonen agiert, ist doch schon seit Jahren bekannt.

Wer hat darauf hingewiesen?

Die Datenschutzbeauftragten. Jahr für Jahr stand das in ihren Tätigkeitsberichten. Aber die Politik hat das einfach ignoriert. Da musste sich erst ein Insider an die öffentlichkeit wenden und auf illegal gehandelte Bankdaten in seinem Callcenter hinweisen, damit die Politik von einem Skandal spricht. Aus meiner Sicht ist der eigentliche Skandal, dass die Politik so lange untätig war.

Sie meinen auch die rot-grüne Bundesregierung, die bis 2005 amtierte?

Natürlich. Damals gab es mehrfach Beschlüsse des Bundestags, in denen die Regierung aufgefordert wurde, das Bundesdatenschutzgesetz zu novellieren. Innenminister Otto Schily hat das ignoriert. Und die Abgeordneten haben die Kraft nicht aufgebracht, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen, wie sie es beim Informationsfreiheitsgesetz erfolgreich getan haben.

Wo ist der größte Reformbedarf beim Adresshandel?

Künftig sollten Daten nie ohne ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen weitergegeben werden dürfen. Die jetzigen Regeln sind ein Scheunentor, das ist kein Datenschutz, sondern eine freigiebige Ermächtigung zur Datennutzung. Ausgerechnet eine so unsolide Branche wie der Adresshandel wird im Datenschutzgesetz privilegiert.

Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hat als letztes Mittel ein völliges Verbot des Datenhandels ins Spiel gebracht...

Die Forderung ist in ihrer Konsequenz richtig und hoffentlich nicht nur bayerischer Wahlkampf.

Was erwarten Sie vom Datenschutz-Gipfel?

Nicht viel. Wahrscheinlich wird am Ende nur appelliert, dass sich alle nun aber wirklich an die Gesetze halten sollen...

Warum nicht? Schließlich ist doch schon alles verboten, was die Bürger nervt: Unerwünschte Werbeanrufe, fingierte Verträge, Bankabbuchungen ohne Einwilligung...

Das stimmt. Aber wie wir gesehen haben, sind bloße Verbote zu wenig. Man muss auch in der Lage sein, Verstöße aufzuklären und zu verfolgen. Die Datenschutzbehörden sind völlig unterbesetzt und brauchen dringend mehr Personal. In Schleswig-Holstein sollen zum Beispiel zwei Personen die gesamte Privatwirtschaft kontrollieren. Solange das so ist, sind alle Appelle, die Gesetze einzuhalten, eher lächerlich.

Wie häufig passiert es, dass ohne Einwilligung Geld von einem Konto abgebucht wird? Justizministerin Zypries (SPD) spricht von Einzelfällen.

Früher waren das Einzelfälle. Aber nun entwickelt sich dies offenbar zu einem Massenphänomen.

Manche glauben, der jüngste Skandal verschafft dem Thema Datenschutz Aufwind. Sie auch?

Ja. Aber die Datenschutzbeauftragten müssen es auch nutzen. Der Datenschutz darf nicht nur beamtenmäßig verwaltet werden. Man muss bei Verstößen auch den Mumm für harte Durchgriffe haben, also Prüfungen vor Ort, Verbot der Datenverarbeitung und Verhängung von Bußgeldern. Und politisch müssen sich die Kollegen fragen lassen, wer von ihnen wirklich kampagnenfähig ist.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH

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