Krisengipfel zu Bolivien: Südamerika unterstützt Morales

Boliviens Präsident erhält Unterstützung von seinen Amtskollegen gegen die Aufstände in mehreren Provinzen seines Landes. Ihre Vorgabe ist eindeutig: keine Gewalt.

Alle hinter Morales. Bild: dpa

Boliviens Präsident Evo Morales kann zufrieden sein: Einstimmig haben sich die anderen südamerikanischen Regierungschefs hinter ihn gestellt. Sie waren am Montag in Santiago de Chile zu einem Krisengipfel zusammengekommen, weil ihr sozialistischer Amtskollege unter großem Druck der konservativen Opposition aus den bolivianischen Tieflandprovinzen steht. Bei Auseinandersetzungen waren vergangene Woche zahlreiche Menschen ums Leben und hunderte verletzt worden.

"Zum ersten Mal in der Geschichte Südamerikas haben wir - die Länder der Region - beschlossen, die Probleme unter uns zu lösen", sagte Morales nach dem fast sechsstündigen Treffen im Präsidentenpalast Moneda. Auch für Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat sich die Reise gelohnt. Vor allem er hatte auf Verhandlungen gedrängt. Nun konnte er durchsetzen, dass Morales die Mittlerrolle des im Mai neu gegründeten Staatenbundes Unasur (Union südamerikanischer Staaten) akzeptiert hat. "Ein armes Land wie Bolivien braucht Ruhe, um sich entwickeln zu können", sagte Lula sichtlich erleichtert, als er den Moneda-Palast verließ. Noch knapper lautet die Formel seines Außenministers Celso Amorim: "Druck und Dialog".

Im Klartext bedeutet der Konsens von Santiago: Die rechte Opposition, allen voran das "Bürgerkomitee" in der östlichen Provinzhauptstadt Santa Cruz, muss die Büros der Zentralregierung räumen, die sie vor einer Woche besetzt hatte. Danach sollen die bereits eingefädelten Verhandlungen in Boliviens Hauptstadt La Paz beginnen. Vertreter der Nachbarländer werden als Beobachter vor Ort sein und dabei auch Präsident Morales in die Pflicht nehmen. Denn auch an seiner Gesprächs- und vor allem Konzessionsbereitschaft bestehen durchaus Zweifel.

Zum Auftakt des hermetisch abgeriegelten Krisengipfels hatte Evo Morales ein langes Video über die dramatischen Ereignisse der letzten Woche gezeigt. Er warf den rechten Gouverneuren vor, einen Putsch versucht zu haben. Es folgte gewohnt wortreich Hugo Chávez aus Venezuela, anschließend redete die Argentinierin Cristina Fernández de Kirchner. Beide kritisierten, wenn auch unterschiedlich vehement, die Einmischung der USA.

Der Pragmatiker Lula gab dem Gipfel die entscheidende Wendung: Knapp fragte er Morales, ob er eher auf Druck oder auf Dialog setzen wolle, und riet zu beidem - mit klarem Akzent auf Gespräch. Sollte die Regierung in La Paz dagegen auf Repression setzen, sei die Unasur machtlos. Fernando Lugo aus Paraguay und Álvaro Uribe aus Kolumbien bliesen ins gleiche Horn.

Außerdem beschlossen die Staatschefs, eine Kommission nach Bolivien zu schicken, die das Massaker an Kleinbauern in der Amazonasprovinz Pando untersuchen soll. Für das Blutbad am vergangenen Donnerstag macht Morales den rechten Gouverneur Leopoldo Fernández verantwortlich - der seinerseits die Zentralregierung beschuldigt. Am Montag tauchten in Bolivien Videoaufnahmen auf, auf denen Funktionäre der Provinzregierung auf wehrlose Kleinbauern schießen. In dem abgelegenen Landstrich wurden bisher 15 Leichen geborgen.

Gastgeberin Michelle Bachelet betonte, dass in den Unasur-Statuten die Bedeutung der Demokratie, der Menschenrechte und der Nichteinmischung festgeschrieben seien. "In Lateinamerika haben wir früher schmerzhafte Erfahrungen mit politischen Krisen gemacht", sagte die chilenische Sozialdemokratin, die derzeit den Unasur-Vorsitz innehat. "Die haben uns gelehrt, wie wichtig es ist, in der Demokratie die Gewalt als Form der Konfliktlösung zu vermeiden."

Entgegen dem Plädoyer von Hugo Chávez wurden die USA in der Abschlussresolution mit keiner Silbe erwähnt - ein weiterer Erfolg der brasilianischen Diplomatie. Dennoch stellt der Gipfel eine klare Emanzipation des Subkontinents von Washington dar. Die USA hätten nämlich lieber die "Organisation Amerikanischer Staaten" (OAS) als vermittelnde Instanz gesehen, in der sie selbst eine Führungsrolle spielen. Doch tatsächlich war es deren Missionen nie gelungen, Bewegung in die verhärteten Fronten Boliviens zu bringen. Nachdem Bolivien und die USA nun auch noch vergangene Woche ihre Botschafter gegenseitig ausgewiesen haben, ist die Stimmung zwischen den Regierungen in Washington und La Paz frostiger denn je.

Am Montag demonstrierten zehntausende Morales-Anhänger in La Paz. Die Polizei hielt zwei Demonstrationszüge auf, als sie sich auf die US-Botschaft zubewegten. Nachdem sie ein Sternenbanner und eine Puppe des Gouverneurs der Provinz Pando verbrannt hatten, zogen sie weiter. Die größtenteils aus der Trabantenstadt El Alto stammenden DemonstrantInnen forderten die Bestrafung von Gouverneur Fernández, gegen den die Staatsanwaltschaft ein Verfahren eingeleitet hat.

In Pando selbst wurde der Ausnahmezustand halbherzig umgesetzt: Zwar nahmen Soldaten elf Verdächtige fest, doch Leopoldo Fernández gab trotz des Haftbefehls vom Samstag weiterhin in der Provinzhauptstadt Cobija unbehelligt Interviews. Auch in der östlichen Metropole Santa Cruz blieb die Stimmung angespannt. Zwar hatten die konservativen "Autonomisten" ihre Straßensperren geräumt, nicht jedoch die Morales-Anhänger. Sie wollten weiterblockieren, bis die Besetzer die Regierungsbüros verlassen haben. In der Erdgasregion Chaco weigerten sich die rechten "Bürgerkomittees" bisher einzulenken.

Dagegen ist das Basisabkommen für den Beginn der Verhandlungen mit dem Gouverneur von Tarija so gut wie fertig. Ab heute soll über die harten Themen gefeilscht werden: die von den "Autonomisten" abgelehnte neue Verfassung und die Verteilung der Erdgassteuer. Evo Morales soll im Lauf des Vormittags dazustoßen. Das Rezept "Druck und Dialog" ist klar - nun geht es um die richtige Dosierung.

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