: Keine Schocker
ORTSTERMIN Peer Steinbrück spricht vor Studenten der London School of Economics. Die Kavallerie hat er zuhause gelassen – und will die Finanzmärkte ganz sanft bändigen
AUS LONDON JOHANNES HIMMELREICH
Hier wächst der Banker-Nachwuchs der City heran. Rund 400 Studenten warten am Montag an der London School of Economics (LSE) auf Peer Steinbrück, der vorbeikommt, um darzulegen, wie er die Finanzmärkte zu bändigen gedenkt.
LSE-Studenten haben keinen guten Ruf. „Die meisten Leute, die in Banken gehen, wissen, was daran falsch ist, und tun es trotzdem“, sagt Thorsten Stechert. Er ist auch Student in London, allerdings nicht an der LSE. Auf Studenten der LSE, die „es trotzdem“ tun, wartet ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von fast 70.000 Euro, wenn sie einen Abschluss in Finanzen haben. Nirgendwo in Großbritannien winkt mehr Geld nach dem Abschluss.
Peer Steinbrück kommt, stellt sich an den Rand der Bühne, knöpft sein Sakko zu und spricht frei. Einer seiner großen Fehler im Leben sei es gewesen, in den 1970ern nicht an der LSE studiert zu haben, als er die Gelegenheit dazu gehabt habe, bekennt er gleich zu Beginn.
Die angekündigte Bändigung kommt in gewinnenden und sanften Tönen daher, die Kavallerie bleibt in der Kaserne. Die Vorwürfe der Profitjagd oder dass Banken „Beihilfe zu Steuerhinterziehung als Geschäftsmodell“ betrieben, spart sich Steinbrück.
Er präsentiert lieber die wichtigsten Punkte aus seinem Finanzmarktpapier. Man brauche eine Transaktionsteuer, Banken sollten auf eigene Kosten und in europäischem Rahmen scheitern können und Schattenbanken, wie etwa Hedgefonds, reguliert werden. Außerdem sei das Bankgeschäft vom Investmentbereich zu trennen. Schließlich will er noch die Steuern erhöhen.
In Großbritannien sind das keine Schocker. Die britischen Konservativen fahren momentan eine rauere Rhetorik gegenüber Banken als die deutsche Politik. Denn die Banker Londons haben sich Skandale geleistet, in denen gemeine Steuerhinterziehung zu den kleineren Sünden zählt. Vorstände von Barclays mussten wegen Fummeleien am Libor-Zins gehen, die Bank 340 Millionen Euro Strafe zahlen und vorsichtshalber 4 Milliarden Euro für weitere Forderungen zurücklegen. Auch gab es im vergangenen Jahr ein Betrugsverfahren gegen mehrere UBS-Händler. Und am selben Nachmittag vor Steinbrücks Vortrag hatte Finanzminister George Osborne angekündigt, dass ein Trennbankensystem durchgesetzt würde und Institute, die sich nicht dran hielten, eine Zwangsspaltung riskierten.
Gerichtsverfahren gegen Banker, wie sie auch die Regierung in Deutschland angekündigt hat, könnten aber nicht die Antwort auf die Krise sein, so Steinbrück. Statt mit dem Knast oder harten Regeln zu drohen, richtet Steinbrück eine freundliche Ermahnung an die Studenten. „Ich erwarte von Ihnen, dass Sie ein Interesse an der Gesellschaft haben“, sagt er. Wenn man nach ganz oben ins Penthouse strebe, könnten einem die unteren Etagen nicht egal sein. Der Zusammenhalt der Gesellschaft stünde auf dem Spiel. Diejenigen, die man deklassiert, würden handeln. Und das könnte irrational werden, die Leute würden radikale Parteien wählen – wenn überhaupt.
Gegen das Penthouse selbst und das Streben dorthin hat Steinbrück aber offenbar nichts.
Abschließend bittet er die Ökonomen um mehr Respekt für Politiker und Parteien, „ich habe ja eine Vorstellung, was Sie über Politiker reden, wenn ich nicht da bin“, sagt er.
Widerspruch gegen seine sanft geforderte Bändigung der Finanzmärkte schlägt Steinbrück kaum entgegen. Ein Deutscher weist auf die Ironie hin, dass es ja die letzte rot-grüne Koalition gewesen sei, die jene Märkte, die er nun wieder zu bändigen versuche, überhaupt erst losgelassen habe. Eine findige Ökonomin wirft ein, dass Steuern immer ineffizient seien, das lerne man ja schon im ersten Semester, weil die einen Keil zwischen Preis und Nachfrage trieben, und ob Steinbrück da die Transaktionsteuer nicht lieber bleiben lassen wolle. Ein anderer Student verweigert den von Steinbrück erbetenen Respekt und konstatiert, Politiker seien schlimmer als Banker, denn sie operierten ebenfalls mit anderer Leute Geld, könnten dabei aber nicht einmal etwas verlieren.
„Im Vergleich mit Rösler war er der Hammer“, sagt eine Studentin. Der war vor wenigen Wochen da gewesen – und habe einfach nur am Pult abgelesen.
■ Der Autor studiert an der LSE – Philosophie.