Disney-Ausstellung in München: Trickfilme - so schön wie Kathedralen

Wie in den Disney-Filmen Kunstgeschichte vermittelt wurde, zeigt eine Ausstellung in München: Schön wie europäische Kathedralen sollten die Animationen sein.

Eine besucherin der Ausstellung betrachtet eine Mickey Maus aus Stoff aus aus dem Jahre 1930. Bild: dpa

Eine Doppelprojektion: Links eine Szene aus "Faust - eine deutsche Volkssage", dem Stummfilmklassiker von Murnau, rechts eine aus dem Disney-Musikfilm "Fantasia".

Hier wie dort breitet sich die Silhouette des Teufels über einer mittelalterlichen Stadt aus, hier wie dort sind die Konturen der Häuser expressionistisch überspitzt dargestellt. Die Übereinstimmung ist immens - und doch kaum bekannt.

Im Katalog zur Ausstellung bringt Bruno Girveau noch weitere Beispiele von Anleihen an den expressionistischen Film durch Disney. Er kann sogar belegen, dass Disney viele von ihnen seinen Zeichnern in Privatvorführungen gezeigt hat.

Diese Parallelen sind die größte Überraschung in der Münchner Ausstellung "Walt Disneys wunderbare Welt und ihre Wurzeln in der europäischen Kunst". Aber nicht die einzige. Gezeigt werden Figurenentwürfe, Hintergründe und Holzmodelle aus dem Disney-Archiv. Ihnen zugeordnet werden Bilder der Symbolisten mit zarten Feen im üppigen Blumendekor, Grandvilles Karikaturen von Insekten, Franz von Stucks Faune - der Zuckersatz der europäischen Kultur, der beinahe aus dem Gedächtnis der Kunstgeschichte getilgt ist.

Die Pastorale-Episode aus dem 1940 uraufgeführtem Zeichentrickfilm "Fantasia" mit ihren turtelnden Zentauren, mit Pegasus und Kinderschar scheint direkt aus diesem schon damals leicht angestaubten Fundus entnommen zu sein. Der Kitsch dieser von den Animatoren wenig geliebten Episode - begehrt war der später von Art Babbit gezeichnete Tanz der Pilze - wird dadurch nicht besser. Aber besonders hier lässt sich gut die intensive Vorbereitung studieren, die unternommen wurde, bevor nur eine einzige Figur in Bewegung versetzt wurde.

Diese Ausstellung zeigt nicht die altbekannten Filmszenen, sondern die Arbeit des Character Model Departments, die "inspirational sketches" und das "visual development", also vor allem die Entwicklung der Bildwelt und der Charaktere. Anders als bei jedem Realfilm steht am Anfang buchstäblich nichts fest. Es gibt nur ein weißes Blatt, sagte Disneyzeichner Harald Siepermann einmal.

Die Ausstellung will, wie es der Kurator Roger Diederen ausdrückt, zeigen, was alles hinter den Bildern steckt. Vor allem Europa steckt in ihnen. Dessen Kunst und Kultur werden Walt Disney von den Zeichnern nahegebracht. Viele stammen aus Europa oder haben hier eine Ausbildung erhalten.

Einer der wichtigen Übermittler war der 1883 in Zürich geborene Albert Hurter, der maßgeblich für die Gestaltung von "Schneewittchen und die sieben Zwerge" verantwortlich war. Disney würdigte den "master creator of fantasy" nach seinem Tod durch eine Publikation seiner Zeichnungen - ein einmaliger Vorgang und zugleich ein Eingeständnis, dass Zeichentrickfilme eine Gemeinschaftsarbeit sind.

Hurter studierte um 1900 in Berlin, er kannte die Märchenillustrationen von Ludwig Richter und die Arbeiten von Heinrich Kley. Kley, Mitarbeiter der Zeitschriften Jugend und Simplicissimus, kennt hierzulande kaum jemand. In der Ausstellung ist ein Blatt zu sehen, auf dem drei Elefanten mit Schlittschuhen elegante Runden auf dem Eis drehen.

Walt Disney hat für seine private Sammlung über 100 Blätter sowie die Skizzenbücher des Münchners gekauft. So habe Animation auszusehen, soll er nach Aussage von Lella Smith, Leiterin der Disney Animation Research Library, gesagt haben. Es ist Kleys Fähigkeit, Tiere bei menschlichen Handlungen so darzustellen, dass ihre Anatomie nicht deformiert wird, die den Zeichentrickvisionär faszinierte.

Eine kleine Enttäuschung ist "Destino", das gemeinsame Projekt von Salvador Dalí und Walt Disney, dem großen "Surrealisten", wie Dalí an Breton schrieb. 150 Blätter und Skizzen existieren, nur eine 18-sekündige Szene wurde probehalber animiert. 1946 stellte Disney "Destino" ein. 2001 ließ das Studio eine Rekonstruktion anfertigen, die die Ausstellung zeigt. Leider ist die Hauptfigur, eine Ballerina, so belanglos computeranimiert, dass einem schmerzlich bewusst wird, wie unübertroffen brillant die manchmal über 70 Jahre alten Filme, die noch unter Walt Disney entstanden, gezeichnet waren.

Seine Filme sollten schön sein wie europäische Kathedralen, das war Walt Disneys Anspruch. Ein Anspruch, für den er manchmal die Existenz des Studios riskierte.

Wie einzigartig seine Filme waren, machen die "101 Dalmatiner" deutlich, bei denen manchmal über 30 Flecken auf einem bewegten Körper gezeichnet werden mussten. Der Zeichner Chuck Jones sagte dazu: "Disney macht gerade einen Film mit 101 Dalmatinern. Ich könnte bei Warner nicht einmal einen Film über einen Hund machen, der Pünktchen hieße."

Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München, bis 25. Januar 2009. Der Katalog kostet 25 Euro in der Ausstellung.

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