Tief in Bayern: Janka und ihr Trupp

Mitten in Augsburg organisiert Janka Kreißl Ostpartys. Hier trinken Ossis Vita Cola - und wundern sich über die Bayern.

Am Sonntag wählt Bayern eine neue Regierung. Die taz erzählt heute zum letzten Mal eine Geschichte aus diesem besonderen Bundesland.

Gegen Mitternacht stand Janka Kreißl auf einem Stuhl und brüllte. Es war stickig, im Café Le Coq drängelten sich über zweihundert Leute, und sie wusste, dass die Party ein Erfolg war. Radeberger und Vita Cola strömten, das Ostessen war fast verspeist und aus den Boxen kam Musik von City und Karat.

Sie verkündete, wer das "Timur und sein Trupp"-Quiz gewonnen hatte, benannt nach der Kultfigur der Jungpioniere. Draußen wehte eine DDR-Fahne, mitten in der Augsburger Innenstadt, tief in Bayern.

Janka Kreißl ist 31 Jahre alt, sie wuchs in Sonneberg auf. Das liegt in Südthüringen, wo die Leute ein schönes fränkisches R rollen. Sie hat in Leipzig studiert, in Sydney gelebt und macht jetzt bei einer Augsburger Firma PR für Internetsysteme.

Und sie hat die Ostpartys angestoßen. Zweimal im Jahr kommen rund 450 Leute, schätzungsweise drei Viertel aus dem Osten und ein Viertel mitgebrachte Bayern. Die einen, sagt sie, sollen etwas greifen können von ihrem alten Leben und die anderen etwas begreifen. "Mir geht es darum zu sagen: Das haben wir gegessen, danach haben wir getanzt, und dort haben wir geknutscht."

Sie sitzt im Café Le Coq, Donnerstagabend, einmal im Monat findet hier auch ein Oststammtisch statt. Diesmal kommen nur Christopher, 21, aus Aue, sowie Ulf, 45, Ingenieur, auf seinem Pullover steht "Haamatland Arzgebirge".

Sie können herrliche Geschichten über die Bayern erzählen. Wie in Ulfs Betrieb die Sekretärin, eine Schleswig-Holsteinerin, ihm gleich gesagt hat, dass er sich nicht einbilden soll, Kontakte mit den Bayern zu knüpfen, das habe sie in 26 Jahren nicht geschafft. Wie er sonntags auf dem Balkon an seinem Modellhubschrauber sägte und die Polizei ihn belehrte, dass am Tag des Herrn in Augsburg nicht gearbeitet wird. Oder wie Janka einem Verehrer in der Disko sagte, sie fände Sydney und Leipzig schön, worauf der sie "Ex-DDRlerin" schimpfte und verschwand.

"Ein verschlossenes Volk", sagt sie. "Sobald sie rauskommen aus Bayern, werden sie unsicher", sagt Ulf, "wie der Stoiber."

Man überlegt, denkt an all die Dirndl und Lederhosen, die man in Augsburg und München auf dem Weg zur Wiesn gesehen hat, an das Brauchtum, das die CSU jahrzehntelang so erfolgreich über Bayerns Schichten und Richtungen gelegt hat wie einen weiß-blauen Integrationsdeckel. Allerdings muss man bestätigen, außerhalb Bayerns nie einen Gamsbart gesehen zu haben. Und in Berlin trug Stoiber auch keine Jacke mit Hornknöpfen. Im Freistaat: dicke Lederhose, woanders: Piefke-Inkognito.

Aber die Ostler in Augsburg trauen sich. Auf den Partys tragen sie ihre DDR-Jacken. Sven aus Leipzig macht die Kasse, seine Freundin Carmen schmeißt den Kuchenbasar, Jankas Schwester Sarah kommt aus Bayreuth zum Helfen rüber und Andy projiziert Dias von Ostsee- und Erzgebirgsurlauben an die Wand.

Wo kommt Andy denn her? Andy ist Augsburger. Wie? Doch, sagt Janka, er ist seine 28 Jahre nicht rausgekommen, nur in der Bundeswehrzeit nach Donauwörth. "Er ist mein Freund."

Und wie haben sie es um Himmels Willen geschafft, sich zu verlieben, einer dieser verschlossenen Bayern und eine Ostlerin? Im Internet. Das ist das wunderbare, weltumspannende und grenzenlose Medium, wo Trachten und Dialekte nicht so schrecklich wichtig sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.