Neuer Parteichef ÖVP: Der Mann der Stunde

Der 40-jährige Wiener Agrarökonom Josef Pröll steht in der ÖVP für eine Stärkung liberaler Tendenzen.

Frau Merkel kennt er schon: Der neue ÖVP-Chef Pröll (r.). Bild: dpa

WIEN taz Manche Kronprinzen bleiben solche ihr ganzes (politisches) Leben lang. Josef Pröll musste nur wenige Jahre warten. Nach dem Wahldesaster seiner Partei am Sonntag schien er der Mann der Stunde zu sein. Der 40-jährige Agrarökonom verbreitet die Aufbruchsstimmung, die sein Vorgänger Wilhelm Molterer nicht vermitteln konnte.

Dass sein Onkel Erwin Pröll seit 16 Jahren in Niederösterreich regiert und einer der mächtigsten Männer in der Partei ist, dürfte seiner Karriere nicht geschadet haben. Kurz amtierte Pröll als Direktor des ÖVP-Bauernbundes, bevor er 2002 mit 34 Jahren von Wolfgang Schüssel zum Minister für Landwirtschaft und Umwelt berufen wurde. Der schwergewichtige Neuling, der mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr und schnell abspeckte, stach aus der langweiligen ÖVP-Truppe bald als erfrischender Farbtupfer heraus.

Umweltpolitisch blieben seine Leistungen zwar hinter den Erklärungen zurück. Dennoch war Pröll schon 2006 ein Kandidat für den Parteivorsitz. Mehr politisches Gewicht erhielt er aber als Regierungskoordinator an der Seite seines SPÖ-Pendants Werner Faymann und als Leiter einer ÖVP-Perspektivgruppe, die eine Modernisierung der Partei vorbereiten sollte. Vorgeschlagene Liberalisierungen, etwa im Bereich gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, wurden aber vom Führungsduo Schüssel/Molterer wieder ausgebremst.

Pröll, verheirateter Vater von drei Kindern, kommt vom Land, lebt aber in Wien und vereinigt die bäuerliche Tradition der ÖVP mit urbaner Lebensweise. Er kann sich der Unterstützung des mächtigen Raiffeisen-Konzerns und des Bauernbundes genauso sicher sein wie des Wohlwollens der Wirtschaftskammer.

Für FPÖ-Chef Heinz Christian Strache ist er ein rotes Tuch, seit er bei einer TV-Diskussion gesagt hat, die FPÖ sitze "im Hooligan-Bereich" und brülle nur ins Stadion. Dass Pröll hingegen mit Faymann gut kann, ist bekannt. Deswegen wird seine Bestellung als Signal für ein Zusammenbleiben mit der SPÖ gedeutet. RLD

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