Grüner Strom aus Island: Die Rettung aus der Tiefe

Island besitzt riesige Reserven an erneuerbaren Energien, die es nicht einmal zur Hälfte nutzt. Nun streitet die Insel, wie grüner Strom ihr aus der Finanzkrise helfen kann.

Island baut eine Aluminiumhütte nach der anderen, dabei wäre grüner Strom womöglich der bessere Exportschlager. Bild: dpa

REYKJAVÍK taz Der größte Schatz Islands liegt in der Tiefe. Aus Erdlöchern brodelt heißes Wasser und überall auf der Insel bollern aus Geothermalbohrungen Dampfschwaden mit fluglärmlautem Druck, die als Abwärme in die Luft gelangen. Gerade mal die Hälfte seiner vorhandenen Energiereserven kann Island derzeit wirtschaftlich nutzen - und schon heute produziert das Land im hohen Norden 600 Prozent mehr Energie, als es benötigt.

Ein enormes Potenzial, auf das der Präsident Ólafur Ragnar Grímsson gerne verweist, wenn er ausländische Gäste empfängt: Die energiehungrigen Chinesen führt er durch Islands größtes Geothermalkraftwerk Hellisheidi, und auch die von der Panik der Finanzmärkte ergriffenen deutschen Besucher kann er beruhigen: Zwar komme die Krise in Island einem Erdbeben gleich, aber die heimische Wirtschaft beruhe auf einer "soliden Basis", versichert er. "Wir neigen dazu zu vergessen, dass wir über alles, was wir brauchen, selbst verfügen."

Zumindest warm werden es die Isländer trotz Bankencrash weiterhin haben: Mehr als 90 Prozent der Heizwärme für Privathaushalte stammt aus der inseleigenen Erdwärme. Gut 20 Geothermalkraftwerke sichern den Bedarf für das gesamte Land. Zusätzlich werden über Wasserkraftwerke etwa 6,4 Milliarden Kilowattstunden Strom jährlich erzeugt. "Alles ist teuer in Island, außer Energie", sagt Gudjón Axel Gudjónsson, Energiedirektor im Ministerium für Industrie, Energie und Tourismus. Eine Kilowattstunde koste in Island weniger als 3 Eurocent. 80 Prozent der produzierten Energie sei erneuerbare Energie und nicht einmal die Hälfte der Energiereserven nutze das Land derzeit, so Gudjónsson.

In der Finanzkrise sieht das die Regierung als einen Rettungsanker: Derzeit prüft Island, ob und wie der aus Wasserkraft gewonnene Strom über Tiefseekabel zum europäischen Festland geleitet - und so versilbert - werden kann. Und bereits jetzt ist das Land zum Eldorado für die stromfressende Aluminiumindustrie geworden, die gerne auf die "grüne" Energie der Insel verweist. "Die Aluminiumproduzenten stehen Schlange, weil sie bei uns ihre Werke errichten wollen", versichert Präsident Grímsson.

Doch Prominente wie die Sängerin Björk und der Schriftsteller Andri Snaer Magnason kämpfen mit einer wachsenden Anhängerschaft gegen die Alu-Industrialisierung des Landes, bedeutet diese doch auch, dass weite Flächen vulkanischer Urlandschaft zerstört werden.

Für den Autor Magnason sind die Aluminiumschmelzen außerdem nicht ein Ausweg aus der Krise, sondern ein Auslöser: "Diese Industrie verursacht Ungleichgewichte, stärkt die Krone zwar für eine Weile und schafft arbeitsintensive High-Tech-Industrie, aber für den Bau des Alco-Kraftwerkes musste unser Land einen Milliardenkredit aufnehmen, so dass der Gewinn in den nächsten 40 direkt an die kreditvergebende Bank zurückfließt."

Dass die überflüssige Energie Ausweg aus der Krise sein kann, bezweifelt auch Magnason nicht - doch ihm schwebt eher der Ausbau von Solarindustrie und Datencentern vor. Nach heftigen Protesten im vergangenen Jahr, als der US-Alugigant Alcoa das bisher größte Aluminiumwerk im Nordosten des Landes baute, sucht auch die Regierung nach neuen Pfeilern im Energiemarkt. Vom Zukunftsfeld Datenspeicherung ist die Rede, auch wenn sie nur ein Zehntel der Energie verbraucht, die zur Aluminiumproduktion nötig ist. Präsident Grímsson verspricht, alle Telefongespräche der USA auf Island wie vorgeschrieben 20 Jahre speichern zu können. Und auch in der ehemaligen US-Basis in Island sollen Datencenter eingerichtet werden. Doch noch sind dafür keine Verträge unterschrieben.

Sicher ist hingegen der Bau von zwei neuen Aluminiumwerken. "Damit nehmen wir in der Krise noch weitere Anleihen auf und machen uns vom weltweiten Aluminiumpreis abhängig", wettert Magnason, "und wir verlieren einen Großteil unser besten Natur."

Ein erster Schritt, sich von den internationalen Finanzmärkten unabhängig zu machen, wäre es laut Magnason auch, sich unabhängig von den für den Transportsektor nötigen Ölimporten zu machen. Damit das ganze Land auf Elektroautos umsteigt, seien lediglich 70 Megawatt Energie im Jahr nötig. Bei einer Jahresstromproduktion von mehr als 2.000 Megawatt sei das ein Klacks. GRIT WEIRAUCH

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.