Einigkeit bei EU-Asien-Gipfel: Washington den Marsch blasen

Auf dem ASEM-Gipfel einigen sich Asiaten und Europäer auf eine einheitliche Linie zur Bekämpfung der Finanzkrise. Nur: Wie lange hält der Schulterschluss gegen die USA?

Kanzlerin Merkel mit dem indischen Regierungschef Manmohan Singh. Werden sie gemeinsam die liberale Nuss USA knacken? Bild: dpa

PEKING taz Nimmt man die Teilnehmer des Asien-Europa-Gipfels (ASEM) beim Wort, müsste es den US-amerikanischen Finanzakteuren langsam bange werden. Sie sind gewohnt, allein zu entschieden. Doch ginge es nach den Regierungen in Asien und der EU, müssten sich auch die US-Amerikaner schon bald einer internationalen Finanzaufsicht beugen.

Die Welt habe noch nicht genug getan, um die Finanzkrise zu lösen, sagte Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao, der Gastgeber des Gipfels, zum Abschluss der zweitägigen Beratungen von 43 Staats- und Regierungschefs aus Asien und der EU in Peking. Im Namen aller Teilnehmer forderte Wen "stärkere Regulierung", um ein "faires, gerechtes und effektives internationales Finanzsystem" zu schaffen. "Wir brauchen mehr finanzielle Regulierung, um finanzielle Sicherheit zu gewähren", sagte Wen. Der Adressat seiner Rede war dabei allen klar: Washington.

Nicht anders die Europäer. Mit dem Rückenwind der Gipfelgespräche in Peking verlangte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von den USA ein "Mandat, mit dem Verhandlungen zu einer Finanzreform durchgeführt werden können, die uns zu einer richtigen Finanzverfassung weltweit führen". Was aber ist eine richtige Verfassung? Eine, die für alle gilt, und der sich auch die USA beugen. Die Kanzlerin denkt dabei an ein Modell, das sich an das Vorbild der Welthandelsorganisation WTO anlehnt. Diese kann ihre Mitglieder bei Regelverstößen abstrafen - allerdings nur nach einer Konsensentscheidung.

Nun will Merkel die USA für ein ähnliches Verfahren gewinnen, bei dem sie die Finanzaufsicht zum Teil an eine internationale Institution abgibt. Dabei schreibt die Bundeskanzlerin dem Internationalen Währungsfonds (IWF) eine entscheidene Rolle zu. "Bei allem Zweifel ist doch immer wieder deutlich geworden, dass der IWF eine Institution sein könnte, die mehr Verantwortung in Zukunft übernimmt", sagte Merkel. Auch diese Worte richteten sich an Washington, das eine Ausweitung der IWF-Funktionen zu einer internationalen Finanzaufsicht immer abgelehnt hat.

Es blieb offen, wieviel Gewicht die Teilnehmer in Peking ihren eigenen Forderungen beimaßen. Am 15. November wollen sich die wichtigsten Vertreter erneut zum Weltfinanzgipfel in Washington (G-20) treffen. Doch ob dann Asiaten und Europäer eine gemeinsame Regulierungsfront gegen die liberaleren Ansichten der Amerikanern bilden, ist fraglich. Merkel versuchte sich in Peking mit den Regierungschefs von China, Japan und Indien konkret für eine gemeinsame Position auf dem G-20-Treffen abzustimmen. Sicher war sie anschließend nicht, dass es klappen kann. Zu sehr versteckten sich die Chinesen noch hinter den Positionen der Europäer, zu sehr hielten sich die Japaner zurück, solange sie keine Marschorder aus Washington erhielten. Etwas mehr Hoffnung setzt Merkel auf die finanzpolitische Autorität des indischen Ministerpräsidenten Singh, der als ausgebildeter Ökonom den Gipfelgesprächen mehr Sachlichkeit und Tiefe geben könne.

Dabei sprang die Kanzlerin in Peking über ihren eigenen Schatten, um die Chinesen in Washington mit an Bord zu haben. Nach dem Empfang des Dalai Lama im Bundeskanzleramt vor einem Jahr habe sie sich wie ein kleines Kind gefühlt, das in die Kinderstube ausgeschlossen werde, um dort für ein Vergehen zu büßen, ohne zu wissen, was es angerichtet habe - das teilte Merkel einer Gruppe chinesischer Intellektueller mit. Die chinesischen Zuhörer wussten es der Kanzlerin zu danken. Aber ob die KP deshalb beim Gipfel in Washington mitmacht? Das Politbüro hat darüber noch nicht entschieden.

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