Kolumne Zeitschleife: Ein Quantum Obst

Knietief im Schmarrn: Von Halbblut-Orangen, eingebildeten Negern und recycelten Schwarzen.

Kennen Sie den vom Lebkuchenmann und seiner frisch gebackenen Ehefrau? Waahaha. Egal. Sie müssen verzeihen, es weihnachtet schon so sehr da draußen in der Warenwelt. Beispielsweise habe ich mir heute eine Halbblut-Orange gekauft. Ich wandte mich an die Supermarktfachkraft, die gerade dabei war, Obst einzusortieren, wobei sie sich offenbar nur ungern durch eine hergelaufene Type wie mich gestört sah und auf meine Frage "Haben Sie auch Blutorangen?" mit einem halbwegs barschen "Haben wir WAS?" antwortete (Noch besser hätte ich gefunden, wenn sie gebellt hätte: "ICH stelle hier die Fragen!" Was zusammenhangslos, doch unbestreitbar lustig gewesen wäre.

Es ist in diesen Zeiten, da alles, jetzt sogar schon der Kapitalismus himself!, zerbröselt oder aber erst gar keinen bröselfähigen Zustand mehr erreicht, sondern gleich direkt den Bach runtergeht, doch ein tröstlicher Gedanke, dass sich manche Dinge nie ändern. Zum Beispiel werden immer noch Krimis gedreht!, in denen der Kommissar irgendwann sagt: "ICH stelle hier die Fragen!" Wie vorletzten Sonntag im "Tatort" mit Klaus Behrendt. Mich würde interessieren, was sich ein Kommissarsdarsteller denkt, wenn ihm ein Drehbuchautor im Jahr 2008 den Satz "ICH stelle hier die Fragen!" in den Mund legt), dann aber meine Wiederholung der Frage nicht abwartete, sondern auf einen Korb deutete mit aus meiner Laiensicht vollkommen normalen, orangenen Orangen, bei denen es sich aber laut Schild um "Halbblut-Orangen" handelte.

Ich musste an Winnetou und das Halbblut Apanatschi denken und an Uschi Glas und eine Äußerung von ihr, die mich sehr erstaunte. Ich kann nicht sagen, dass mich Uschi Glas oft in Staunen versetzt hätte, aber dies eine Mal doch. Als sie nämlich beim Vorbeizappen in einer Talkshow über ihre Kindheit sprach und meinte, es sei ja nicht leicht gewesen für sie, in den 50ern in der bayerischen Provinz, "evangelisch und als Neger". Wie gesagt: Ich staunte. Mir war einfach bis dahin nicht bewusst, dass Uschi Glas ein Neger ist. Mir ist es in der Tat immer noch nicht so recht bewusst. Es will, wie man so sagt, nicht in meinen Kopf rein, dass Uschi Glas ein Neger sein soll. Was mir allerdings bewusst ist - und vielleicht hat sie da ja was verwechselt -, ist, dass Uschi Glas eine Schwarze ist, weshalb sie sicher auch ein bisschen blöd aus der Wäsche geschaut hat vor einem Monat am Wahlsonntag (ja, solange Kommissare noch "ICH stelle hier die Fragen!" sagen, so lange dürfen Witzbolde in Bayern auch abgelutschte doppeldeutige Gags mit schwarz/CSU machen). Aber vielleicht hätte sie dafür jetzt Chancen auf einen Ministeriumsposten.

Der Horst Seehofer ist nämlich so bemüht, den ganzen Zirkus jetzt total modern und nach "Neuanfang" aussehen zu lassen, und da hat er gedacht: "Idee! Wir tun mehr Frauen vorn hin!" Das haben sie wo aufgeschnappt in der CSU, dass das progressiv wirkt: Frauen vorn hin! Dann haben sie aber festgestellt, dass sie da eigentlich gar keine haben in der CSU. Und drum ist der Seehofer am Wochenende in seiner Not bei Nacht und Nebel rausgegangen in die CSU-Geraffelgrube und hat rumgewühlt. Bis zu den Ellenbogen ist (!) er dringesteckt im Schrott und im Baaz und hat schließlich so ein altes Trumm rausgezogen, das sie vor Jahren schon entsorgt hatten - worüber damals alle gottfroh waren - und das schon ganz angemodert war. Aber der Seehofer hat ein bisschen dran rumgerubbelt, den ärgsten Dreck und Schimmel runtergeklopft und befunden: "Bassd scho. Könnt man schon noch hernehmen." Und seitdem geistern Berichte herum, Monika Hohlmeier - ja, DIE Monika Hohlmeier, die in einer besseren, ach was: normalen Welt entweder im Knast säße oder zumindest in einem Regierungsgebäude nie wieder auch nur die Neonröhren auswechseln dürfte -, Monika Hohlmeier habe Chancen auf einen Posten im Kabinett Seehofer.

Was? Ja, Herrgott, deswegen erzähl ich doch hier einen von Halbblut-Orangen und Uschi Glas! Weil einem hier unten die Birne platzt, wenn man sich nicht ab und zu mit noch größerem Schmarrn ablenkt. Zefix.

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