: Die Schönheit in Trümmern
Rock ist schon ein besonderer Spaß, den man vielleicht besser versteht, wenn man mal ins Kino geht. Beispielsweise in „Blow Up“ von Michelangelo Antonioni. 1966. London in den Swinging Sixities. Mit David Hemmings als Hauptdarsteller, der auch in ein Konzert der Yardbirds stolpert, bei dem der Gitarrist Jeff Beck sein Instrument zertrümmert. Das Publikum kämpft um die Reststücke als Trophäe. Hemmings ergattert sie. Und wirft sie vor der Tür achtlos wieder weg. Allein schon dieser Szene wegen lohnt sich das Mehrmalsgucken von „Blow Up“, obwohl Jeff Beck seine Gitarre eher widerwillig zu Klump geschlagen haben soll und nur weil Antonioni das wollte. Das Gitarrenzerschmettern bei Rockkonzerten war bereits eine Mode geworden, die Pete Townshend von The Who begründete. Sein Zerstörungswerk im Railway Hotel im September 1964 galt dem Rolling Stone als einer der „50 Moments That Changed the History of Rock & Roll“.
Mit der Zeit wird so ein Moment natürlich etwas schal, auch wenn bei Rockkonzerten bis heute die Gitarren zu Bruch gehen, sei es aus aufbrausendem Jähzorn, weil irgendwas mit der Gitarre nicht stimmt. Als Ausdruck rasender Energie. Als Ritual. Die Gitarre als Opfer. Besonders eindrücklich zu sehen bei Jimi Hendrix, wie er 1967 in Monterey als Weihepriester sein Instrument in Brand setzte, das noch so lange wimmerte, bis nichts mehr ging.
Weil ja in der Zerstörung immer noch Musik ist. Ein frühes Beispiel dieser Destruktion/Dekonstruktion sind natürlich die Marx Brothers, die in ihren Filmen (Kino) im Spiel gern so lang einen Flügel zerlegten, bis endlich Harpo aus dessen Eingeweiden heraus die Saiten als Harfe in der Hand halten konnte. Dem Klavier, Inbegriff bürgerlicher Kunst, rückten auch die Aktivisten der Fluxus-Bewegung auf den Leib, um im Zertrümmern eines Konzertflügels gleich noch den althergebrachten Kunstwerkbegriff zu zerschmettern. Nach den „Piano Activities“ beim Fluxus-Gipfel in Wiesbaden 1962 mit dem Zielpunkt eines zerlegten Flügels war Klavierkaputtschlagen kurze Zeit eine Art Sport in der Kunst. Wobei zu vermuten ist, dass neben den kunsttheoretischen Überlegungen dabei genau die tiefe Lust an der Zerstörung mithämmerte, die bereits in den Filmen von Laurel & Hardy triumphiert, die noch jedes in den Filmen herumstehende Klavier zum Schluss kleingekriegt haben.
Die Instrumentezerstörungstermine diese Woche: Am Samstag zerlegt der Konzeptkünstler Peter Kees in der Galerie KP in der Performance „Neverever A.M.“ einen Flügel (Elisabeth-Kirch-Straße 13, 20 Uhr). Jeff Beck zerschmettert seine Gitarre am Sonntag und Mittwoch in „Blow Up“ im Arsenal. THOMAS MAUCH