Kommentar Opel-Krise: Autos ohne Kunden

Profitable Opel-Werke, Desaster bei GM: Diese so klare Täter-Opfer-Geschichte überzeugt nicht mehr, sobald man sich die Monatsstatistiken des Kraftfahrt-Bundesamtes ansieht.

Wie gut geht es Opel? Die gegenwärtige Legende besagt, dass es um die deutsche Tochter eigentlich bestens steht - und nur die konkursreife US-Mutter General Motors stört. Mit dieser Geschichte werden nationalistische Gefühle perfekt bedient, und es erscheint als nahezu zwingend, Opel mit einer Staatsbürgschaft weiterzuhelfen. Am Montag kümmerten sich denn auch Kanzlerin, Finanzminister und Außenminister um dieses Projekt.

Profitable Opel-Werke, Desaster bei GM: Diese so klare Täter-Opfer-Geschichte überzeugt nicht mehr, sobald man sich die Monatsstatistiken des Kraftfahrt-Bundesamtes ansieht. Dort zeigt sich dann, dass auch Opel in einer tiefen Absatzkrise steckt. Die Neuzulassungen im Oktober beliefen sich auf minus 16,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Andere Konzerne wurden vom Abschwung längst nicht so stark getroffen: VW verbuchte einen Rückgang von 4,6 Prozent, bei Mercedes waren es nur minus 1,6 Prozent.

Man kann die Opel-Geschichte also auch anders erzählen: Die Staatsbürgschaften würden ein schlecht geführtes Unternehmen päppeln - zu Lasten der Konkurrenz. Die Fortsetzung ist abzusehen. Es dürfte nicht lange dauern, bis die ganze Autobranche auf die Idee verfällt, dass sie Staatsbürgschaften gut gebrauchen könnte. Daimler-Chef Zetsche hat dies für seinen Konzern schon angedeutet. Und warum nur die Autobranche? Ist der Gedanke erst einmal etabliert, dass der Staat Unternehmen retten sollte, dann könnten auch die schwächelnde Bauindustrie oder marode Kaufhauskonzerne Anträge stellen. Irgendwann könnte der Staat überfordert sein.

Die deutsche Krisenpolitik setzt an der falschen Stelle an. Sie fördert einzelne Unternehmen und Branchen - aber wo sollen die Kunden herkommen? Die Binnennachfrage wird nicht gestärkt, denn das Konjunkturpaket beläuft sich auf mickrige 6,5 Milliarden Euro jährlich. Selbst die Wirtschaftsweisen, nicht als radikal bekannt, fordern bis zu 25 Milliarden. Bedarf gibt es genug. Das beginnt bei der Bildung und endet bei der energiesparenden Gebäudesanierung. Stattdessen wird einseitig die Autobranche gefördert. Was für ein seltsamer Begriff von Zukunft.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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