Kommentar Piraterie: Piraten greifen an
Die Routen des Welthandels zu überwachen, nicht aber den Welthandel selbst - dies ist ein Widerspruch, der spätestens beim nächsten gekaperten Rüstungsschiff vor Somalia unerträglich werden dürfte.
Militärschutz für Handelsschiffe wird immer wichtiger für den ungehinderten Welthandel. Das zeigt die spektakuläre Entführung eines saudischen Öltankers durch Piraten aus Somalia im Indischen Ozean weit jenseits der somalischen Gewässer. Sie sprengt alle Dimensionen dessen, was EU, Nato und andere Mächte bisher an zu bekämpfender Seeräuberei am Horn von Afrika vermuteten. Somalia, das als erstes Land der Welt vor siebzehn Jahren seinen Staat abschaffte, errichtet nun als erstes Land der Gegenwart informelle faktische Zollgrenzen irgendwo auf hoher See, so weit die Schnellboote der Piraten tragen.
Die internationale Antwort darauf ist bisher rein defensiv. Sie lautet, Frachtschiffen auf immer längeren Routen militärischen Geleitschutz zu bieten. Aber wenn europäische und nordamerikanische Marinesoldaten internationale Handelsschiffe sicher zum Ziel bringen sollen, wird sich schnell die Frage aufdrängen, wer denn da alles geschützt wird. Viele Schiffe zwischen den Kontinenten sind unter Billigflagge unterwegs. Ihre Arbeitsbedingungen unterlaufen jeden Sozialstandard - ganz zu schweigen davon, was alles ohne Kontrolle und eventuell ohne rechtliche Grundlage geladen sein könnte, von illegalem Fischfang aus somalischen Gewässern bis hin zu Panzern für Südsudan auf der noch immer von somalischen Piraten festgehaltenen ukrainischen "Faina".
Soll der möglichst kostengünstige Import von Dumpingprodukten nach Europa aus Billiglohnländern wirklich durch EU-Militäreinsätze auf europäische Kosten erleichtert werden? Und so manche somalischen Piraten legitimieren ihre Überfälle damit, dass illegale Fischkutter aus Europa ihre Gewässer leerfischen.
Die Routen des Welthandels zu überwachen, nicht aber den Welthandel selbst - dies ist ein Widerspruch, der spätestens beim nächsten von Piraten gekaperten und dann von europäischen Soldaten wieder freigekämpften Rüstungsschiff vor Somalia unerträglich werden dürfte. Noch nie war der Zusammenhang zwischen Militärpolitik und Globalisierung so deutlich wie bei den Diskussionen über Somalias Piraten. Man muss ihn mitdenken. Die Piraten tun es.
Kommentar Piraterie: Piraten greifen an
Die Routen des Welthandels zu überwachen, nicht aber den Welthandel selbst - dies ist ein Widerspruch, der spätestens beim nächsten gekaperten Rüstungsschiff vor Somalia unerträglich werden dürfte.
Militärschutz für Handelsschiffe wird immer wichtiger für den ungehinderten Welthandel. Das zeigt die spektakuläre Entführung eines saudischen Öltankers durch Piraten aus Somalia im Indischen Ozean weit jenseits der somalischen Gewässer. Sie sprengt alle Dimensionen dessen, was EU, Nato und andere Mächte bisher an zu bekämpfender Seeräuberei am Horn von Afrika vermuteten. Somalia, das als erstes Land der Welt vor siebzehn Jahren seinen Staat abschaffte, errichtet nun als erstes Land der Gegenwart informelle faktische Zollgrenzen irgendwo auf hoher See, so weit die Schnellboote der Piraten tragen.
Die internationale Antwort darauf ist bisher rein defensiv. Sie lautet, Frachtschiffen auf immer längeren Routen militärischen Geleitschutz zu bieten. Aber wenn europäische und nordamerikanische Marinesoldaten internationale Handelsschiffe sicher zum Ziel bringen sollen, wird sich schnell die Frage aufdrängen, wer denn da alles geschützt wird. Viele Schiffe zwischen den Kontinenten sind unter Billigflagge unterwegs. Ihre Arbeitsbedingungen unterlaufen jeden Sozialstandard - ganz zu schweigen davon, was alles ohne Kontrolle und eventuell ohne rechtliche Grundlage geladen sein könnte, von illegalem Fischfang aus somalischen Gewässern bis hin zu Panzern für Südsudan auf der noch immer von somalischen Piraten festgehaltenen ukrainischen "Faina".
Soll der möglichst kostengünstige Import von Dumpingprodukten nach Europa aus Billiglohnländern wirklich durch EU-Militäreinsätze auf europäische Kosten erleichtert werden? Und so manche somalischen Piraten legitimieren ihre Überfälle damit, dass illegale Fischkutter aus Europa ihre Gewässer leerfischen.
Die Routen des Welthandels zu überwachen, nicht aber den Welthandel selbst - dies ist ein Widerspruch, der spätestens beim nächsten von Piraten gekaperten und dann von europäischen Soldaten wieder freigekämpften Rüstungsschiff vor Somalia unerträglich werden dürfte. Noch nie war der Zusammenhang zwischen Militärpolitik und Globalisierung so deutlich wie bei den Diskussionen über Somalias Piraten. Man muss ihn mitdenken. Die Piraten tun es.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Allianz gegen Habeck
Die Wahlhelfer der AfD
Durch Inszenierungen der Ablehnung wird Vizekanzler Habeck und seine Klimapolitik dem Mob ausgeliefert.
Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.