Indígenas in Kolumbien: Unglück oder kaltblütiger Mord?

Der Ehemann einer Indianeraktivistin wird im Wagen ihrer Organisation an einer Militärsperre von Kugeln durchsiebt. Ein Unfall, sagt die Armee.

Die Indígenas fordern seit langem, dass sich sowohl die Armee als auch die Guerilla aus ihren Gebieten zurückziehen sollen. Bild: ap

PORTO ALEGRE taz Die Erschießung eines Indianeraktivisten durch die kolumbianische Armee in der südwestlichen Provinz Cauca hat für Empörung bei Menschenrechtlern und für Aufregung in der Regierung Uribe gesorgt. Am Dienstagmorgen feuerte eine Gruppe von Soldaten 17 Schüsse auf ein Fahrzeug des Regionalen Indígena-Rates von Cauca (Cric) ab. Edwin Legarda, der in dem Wagen saß, erlag wenig später seinen Verletzungen. Normalerweise benutzt seine Frau das Auto, die prominente Aktivistin Aída Quilcué. Sie war allerdings erst am Vorabend von einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf zurückgekommen und nicht dabei.

Der verantwortliche Armeegeneral Justo Peña sagte, Legarda habe eine Straßensperre des Militärs missachtet. Die Soldaten hätten sich "geirrt und leider geschossen", sagte Peña. Aus dem Verteidigungsministerium hieß es hingegen, die Umstände des Vorfalls seien unklar und ordnete eine interne Untersuchung an. Die Staatsanwaltschaft ermittelt ebenfalls.

Indianersprecher vermuten ein Attentat, das eigentlich Aída Quilcué gegolten habe. Quilcué gehörte zu den Organisatoren eines wochenlangen Marsches zehntausender Ureinwohner nach Bogotá im Oktober und November. Präsident Álvaro Uribe hatte wiederholt behauptet, hinter den Protesten stecke die Farc-Guerilla.

Die Indígenas in Südwestkolumbien fordern seit langem, dass sich sowohl die Armee als auch die Guerilla aus ihren Gebieten zurückziehen sollten. "Es ist nicht unser Krieg", hatte Quilcué in Genf erklärt. Mitglieder des UN-Menschenrechtsrats hatten auf die zunehmenden außergerichtlichen Hinrichtungen und die anhaltenden Verbindungen zwischen der Armee und den rechtsextremen Paramilitärs hingewiesen. Auch der Landraub an Bauern, Afrokolumbianern und Ureinwohnern wurde thematisiert. Bogotá solle endlich anerkennen, dass die Aktivität von Gewerkschaftern und Menschenrechtlern legitim sei, so ein weiterer Appell.

Die Ermordung von Indígenas gehört in Kolumbien zum Alltag. Doch der Tod Legardas kommt für die Regierung denkbar ungünstig. Eine weitere Beschädigung ihres internationalen Ansehens kann sie gerade jetzt überhaupt nicht brauchen, denn gleich zwei für die Regierung Uribe wichtige Freihandelsabkommen stehen auf dem Spiel. Mit dem Verweis auf die zahlreichen Morde an Gewerkschaftern lehnt die demokratische Mehrheit im US-Kongress, darunter der designierte Präsident Barack Obama, die Ratifizierung eines bereits unterzeichneten Freihandelsvertrages ab. Die EU-Kommission hingegen hatte in den letzten Monaten mehrfach signalisiert, dass sie dazu bereit, mit Kolumbien und Peru ein separates "Assoziationsabkommen" auszuhandeln - und das nach dem Willen von Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sogar unter Aushebelung der Bestimmung, wonach solche Abkommen nur mit Wirtschaftsblöcken ausgehandelt werden dürfen.

Verhandlungspartner war bis vor kurzem die Andengemeinschaft, der neben dem konservativ regierten Kolumbien auch Ecuador und Bolivien mit ihren Linken Regierungen abgehören. Die Bolivianer wollen jedoch einer schrittweisen Marktöffnung für europäische Firmen nur zustimmen, wenn auch ihre Kleinbauern langfristig profitieren - und sollen deshalb außen vor bleiben.

Nachrichten wie die vom Tod Edwin Legardas sind da für die Verhandlungspläne von Kolumbiens Präsident Uribe wenig hilfreich.

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