Lauschangriff durch Verfassungsschutz: Niedersachsens Geheimdienst hört mit

Der Große Lauschangriff durch den Verfassungsschutz soll weiter erlaubt sein. Die Grünen halten den Eingriff in die Grundrechte für verfassungswidrig, die Ex-Bürgerrechtspartei FDP stimmt zu

Da kann Niedersachsens Innenminister Schünemann künftig für seinen Geheimdienst richtig einkaufen gehen: Der Spionladen in Stuttgart. Bild: DPA

"Wir sind dann Avantgarde", sagt Jörg Bode. "Führend" werde Niedersachsen mit dem neuen Verfassungsschutzgesetz sein, meint der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Erstmals würden alle vom Verfassungsschutz beobachteten Personen künftig "bei allen Maßnahmen" nachträglich informiert, sagt Bode. "So etwas gibt es bislang in keinem anderen Bundesland."

In dieser Regelung sieht der grüne Innenpolitiker Ralf Briese nur einen kleinen Fortschritt. Ihn wurmt dagegen, dass die Verfassungsschützer künftig dauerhaft die Lizenz zum Spähen und Horchen in Privatwohnungen haben sollen. Ursprünglich war der Lauschangriff nach den Anschlägen vom 11. September 2001 nur befristet eingeführt worden, nun soll er verlängert werden. Heute soll das Gesetz in den Ausschüssen beraten, in der kommenden Woche im Landtag beschlossen werden.

Nicht nur die Polizei, auch die Verfassungsschützer sollen das Instrument des "Großen Lauschangriffs" benutzen dürfen. Auch Kontakt- und Begleitpersonen können verwanzt und abgehört werden, wenn sie sich im Dunstkreis von angeblichen Spionen und Terroristen aufhalten.

Briese hält das für verfassungswidrig. Dabei stützt er sich auf ein Gutachten von unabhängigen Juristen des Landtags. "Nach unserer Auffassung ist (...) die Beibehaltung des Instruments der Wohnraumüberwachung auch in der vorgeschlagenen Fassung nicht ohne verfassungsrechtliches Risiko", heißt es in der Expertise. Weitere Kritikpunkte der Juristen sind bereits entschärft worden, aber der große Lauschangriff ist geblieben. Dabei darf laut Artikel 13 des Grundgesetzes das Horchen und Spähen in Wohnungen eigentlich nur für die Aufklärung von Straftaten und zur Gefahrenabwehr vorgenommen werden - somit eigentlich nur von der Polizei und nicht von Geheimdiensten.

Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht vor fünf Jahren eine weitere Hürde in die Anwendung des Lauschangriffs eingezogen (siehe Kasten): Da Behörden nicht in den "Kernbereich privater Lebensgestaltung" eingreifen dürfen, müssen Verfassungsschützer beim Horchen in Wohnungen im Zweifel weghören. Ein Gericht entscheidet dann später, ob die Aufzeichnungen ausgewertet werden dürfen oder nicht. "Wenn es um Eheprobleme geht, müssen die Schlapphüte abschalten und sich fragen, wann die abgehörten Personen wieder über Terrorismus reden", erklärt Briese. Da das Urteil für die Geheimdienstler Probleme mit sich bringe, werde der Lauschangriff auch in Bundesländern, wo er erlaubt ist, praktisch nie angewandt.

Briese kritisiert weiter, dass bei "Gefahr im Verzug" ein Richter die Maßnahme erst nachträglich absegnen muss. "Sachfremd" sei die Rechtskontrolle nur beim Amtsgericht Hannover angesiedelt, und nicht etwa beim Oberlandesgericht Celle, welches eigentlich für Staatsschutzsachen zuständig ist.

Diese Einwände lässt Jörg Bode von der FDP nicht gelten. Auch die SPD wird dem Lauschangriff wohl zustimmen. "In praktisch allen Bundesländern gibt es den Eingriff", sagt FDP-Politiker Bode. Das Gesetz berge zwar auch für die Liberalen "gewisse Kniffeligkeiten", aber es sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Lauschangriff sei für den Geheimdienst vor allem bei der Spionageabwehr wichtig, meint Bode. Wenn die Polizei einen Spion dabei belausche, wie er eine Straftat plane, müsse sie ihn sofort verhaften, um die Tat zu verhindern - Verfassungsschützer könnten warten, bis der ganz große Fisch ins Netz geht.

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