Milram sponsert letztes deutsches Radteam: Die Milch machts

Der Radsport in Deutschland lebt immer noch. Team Milram präsentiert sich mit den Vorradlern Linus Gerdemann und Gerald Ciolek als nationales Unternehmen.

Team Milram: die letzten Mohikaner des deutschen Profiradsports. Bild: ap

Es fehlen Stühle. Das ist schon einmal gut. Das trägt sicherlich im Sinne des Sponsors zur "Verbesserung der gegenwärtigen medialen Situation" bei. Diese Verbesserung hatte sich die Nordmilch AG gewünscht, als sie sich im vergangenen Dezember dazu entschied, sich erst einmal weiter in der Schmuddelecke des Sports, bei den Rennradlern, zu engagieren. Das Bremer Unternehmen sponsert das Team Milram, die einzig verbliebene deutsche Profimannschaft.

Es sind viele Journalisten in das gehobene Dortmunder Hotel gekommen, in dem das Team für 2009 präsentiert wird. "Wir wissen, dass der Fokus auf uns liegen wird", sagt Teammanager Gerry van Gerwen bei seinen Begrüßungsworten, "dabei brauchen wir die Unterstützung der Medien." Der 56 Jahre alte Niederländer spricht an diesem bitterkalten Tag viele warme Worte. Er lädt in regelmäßigen Abständen ein, wahlweise in den Mannschaftsbus oder in das neue Teamquartier in Dortmund, das im Sommer fertig sein soll: "Es gibt immer Kaffee und natürlich die herrlichen Produkte unseres Sponsors."

Harte Rockklänge, ein Film flimmert über die Leinwand, der die Mannschaft in ihrem Trainingslager auf Mallorca zeigt. Parolen werden eingeblendet: "Maximale Transparenz!" etwa, was mit der Einladung zu Kaffee und Milch schon gut abgedeckt wird. Und: "Alles wird neu - alles wird anders." Das kristallisiert sich als Leitmotiv heraus. Van Gerwen spricht von einem "Kulturumbruch", weil das Team aus Italien nach Deutschland umzog. Das Neue daran beschreibt er so: "Hier ist ein Ja auch ein Ja."

Zwischen den Journalisten in Wollmänteln und mit dicken Schuhen sitzen verstreut 23 meist junge Männer in kurzen Hosen und blauen Kuhflecken-Trikots. Auch das, so van Gerwen, sei Teil der Transparenzoffensive. Die beiden Kapitäne, Linus Gerdemann als Rundfahrspezialist und Sprint-Ass Gerald Ciolek, sitzen neben dem Teammanager und präsentieren das Saisonziel: 25 Siege. Darunter sollen bedeutendere sein als der von Paul Voß, der am Sonntag ein Querfeldeinrennen in Vechta gewann. "Einen Etappensieg bei der Tour de France oder bei der Königin der Klassiker, Mailand-San Remo", wünscht sich Ciolek. Er ist wie Gerdemann vom Team Columbia, dem Nachfolger des Teams T-Mobile, gekommen. Acht Fahrer wechselten vom aufgelösten Team Gerolsteiner zu Milram, das damit seine "Ausrichtung auf deutsche Fahrer und deutsche Produkte" unterstreicht. Gerolsteiner hatte sich nach den Dopingskandalen um Stefan Schumacher und Bernhard Kohl endgültig zurückgezogen.

Van Gerwen, Gerdemann und Ciolek schaffen es mehr als eine Stunde lang, das Wort Doping zu vermeiden. Angesichts des Leitmotivs "Alles wird neu - alles wird anders" eine ganz erstaunliche Leistung. Van Gerwen muss sich nicht einmal quälen, als er lächelnd zur Antidopingpolitik sagt: "Alles schon früher breit erklärt. Saubere Milch - saubere Leistung!" Später, in kleiner Runde, konterkariert er den Leitspruch vollends. Auf die Frage, was es Neues im Antidopingprogramm 2009 gebe, sagt er: "Alles ist so geblieben, wie es war."

Fünf Meter neben dem Niederländer steht Claus Peter Fischer. Er ist Vorstandsmitglied der Nordmilch AG und nimmt das Schmuddelwort tatsächlich in den Mund. "Wer dopt, fliegt raus", sagt er. Er sagt das voller Überzeugung. So steht es auch in den Richtlinien, die - maximale Transparenz - auf den Internetseiten nachzulesen sind.

Zwischen den vielen Stühlen im Dortmunder Hotel steht Christian Henn. Er ist auch aus der Auflösungsmasse des Teams Gerolsteiner als Sportlicher Leiter zu Milram gewechselt. Henn ist geständiger Dopingsünder. Er hat zugegeben, zwischen 1995 und 1999, als er im magentafarbenen Trikot für das Team Telekom gefahren ist, Epo gespritzt zu haben. Alles längst verjährt, alles olle Kamellen, findet Gerry van Gerwen. "Wir sollten einen Strich unter die Vergangenheit machen. Wir wollen ein Beispiel sein", sagt der Teammanager. Wofür genau, kann er nicht so genau sagen. Es ist ja auch wirklich schwierig, ohne das Schmuddelwort in den Mund zu nehmen. Vielleicht wird er irgendwann mal konkret, vielleicht im Mannschaftsbus, vielleicht im neuen Quartier - bei Kaffee und Buttermilch.

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