Russlandexperte über ewigen Gasstreit: "Es wurde zuerst geklaut"

Russlandexperte Roland Götz sagt, das undurchsichtige System von Gas-Zwischenhändlern müsse unter den GUS-Staaten abgeschafft werden.

Erst hat die Ukraine ihre Rechnung nicht gezahlt, dann hat Gazprom dne Hahn zugedreht, so Götz. Bild: dpa

taz: Herr Götz, Ukraine und Russland streiten mal wieder ums Gas und liefern sich wilde PR-Schlachten. Unklar ist, wer nun der Gute und wer der Böse in dem Spiel ist. Hat die Ukraine Gas geklaut oder hat Gazprom den Hahn zu Unrecht zugedreht?

Roland Götz: Man muss auf die zeitliche Reihenfolge achten. Die Ukraine hat Gas aus den Transitpipelines entnommen, daraufhin hat Gazprom die Lieferungen nach Westeuropa durch die Ukraine eingestellt. Es wurde also zuerst geklaut und dann abgedreht.

Aber Gazprom hat doch schon am 1. Januar die Lieferungen an die Ukraine eingestellt.

Dabei ging es aber nur um die inländische Versorgung der Ukraine. Und auch hier muss man die Reihenfolge beachten. Erst hat die Ukraine ihre Rechnung nicht bezahlt, dann hat Gazprom die Lieferung eingestellt.

Mitten im kalten Winter. Das grenzt doch an Erpressung, oder?

Nein, das ist die Folge von kurzfristigen Lieferverträgen mit den ehemaligen GUS-Staaten, die immer am 31. Dezember enden. Gazprom will die Verträge ja schon lange umstellen, also wie bei den Kunden in Westeuropa langfristig gestalten.

Und durch die Kopplung der Gastarife an den Ölpreis entsprechend hohe Preise nehmen. Das kann sich die Ukraine doch gar nicht leisten.

Das könnte sie, wenn ihre Wirtschaft effizienter arbeiten würde. Die Ukraine ist, außer Russland, der größte Gasverbraucher unter den GUS-Staaten und benötigt etwa halb so viel Gas wie Deutschland mit seiner viel höheren Wirtschaftsleistung. Der Ansatz müsste also sein, den Gasverbrauch der Ukraine zu senken. Und das undurchsichtige System mit Zwischenhändlern abzuschaffen, die ein Interesse an der Beibehaltung der gegenwärtigen Zustände haben.

Bis es so weit ist: Was müsste die Europäische Union tun?

Generell muss es natürlich darum gehen, immer weniger von Importen fossiler Energie abhängig zu werden. Aber wir werden noch einige Jahrzehnte auf russisches Gas angewiesen sein. Das muss aber auch kein Problem sein, wie wir jetzt sehen. Denn aus der Wirtschaft kamen bislang keine Klagen. In Deutschland wurden die Gasspeicher erweitert, wir leiden nicht unter Versorgungsproblemen. Serbien und Bulgarien haben Derartiges versäumt und zahlen nun dafür die Zeche.

Es wäre aber auch für uns problematisch, wenn die Pipelines in der Ukraine durch den Lieferstopp kaputtgehen würden, oder?

Natürlich. Das ganze Leitungs- und Fördersystem ist hochsensibel und kann schweren Schaden nehmen, wenn der Lieferstopp noch Wochen andauert. Aber dazu wird es nicht kommen. Ich gehe davon aus, dass der Streit in wenigen Tagen beendet sein wird.

INTERVIEW: STEPHAN KOSCH

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