Nachwuchs in Deutschland: Eher nie als spät

In ganz Europa wird das Projekt Nachwuchs oft hinausgezögert. Aber hierzulande bleibt er dann ganz aus, so eine Studie des Max-Planck-Instituts.

In der Anschaffung nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Rahmendaten: Kinder (mit Müttern). Bild: dpa

BERLIN taz Das vielbeschworene Europa der zwei Geschwindigkeiten gibt es schon, und zwar beim Kinderkriegen. Während deutsche Paare zaudern und zögern, ob überhaupt, ob noch eins oder ob etwa noch ein drittes, schreiten skandinavische oder französische Eltern munter zur Tat. Das ist eines der Ergebnisse einer europäischen Vergleichsstudie, die das Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock veröffentlicht hat.

Vor allem der Aufschub der Familiengründung habe in ganz Europa für eine niedrigere Geburtenrate gesorgt, so die Studie. Die Beziehungen sind weniger stabil, Frauen wollen erst beruflich Fuß fassen, Männer nicht mehr unbedingt Väter werden, all das führt seit den Sechzigerjahren, als die Pille Familie planbar machte, zu einer Geburtenbremse.

Aber diese Verzögerung wird in einigen Ländern politisch wieder aufgefangen: In Frankreich fällt die Entscheidung für das dritte Kind leichter, weil Großfamilien fast keine Steuern mehr zahlen müssen. In Skandinavien gibt es eine extrem gut ausgebaute Kinderbetreuung. "Familienpolitik kann eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Geburtenrate spielen", fasst Kristin von Kistowski vom Max-Planck-Institut zusammen. Doch warnt sie vor überzogenen Hoffnungen: "Wenn die wirtschaftlichen Rahmendaten nicht stimmen, könnten die Menschen trotzdem weniger Kinder in die Welt setzen."

Nordwesteuropa nähert sich mit Geburtenraten zwischen 1,8 und 2 Kindern pro Frau dem sogenannten Ersatzniveau von 2,1, bei dem die Bevölkerung ohne Einwanderung gleich groß bliebe. Und tatsächlich haben diese Länder besonders aktiv Familienpolitik betrieben. "Aber die Geburtenrate in Schweden ist während der Wirtschaftskrise der Neunzigerjahre auch gesunken", merkt Max-Planck-Forscherin Kistowski an. In Süd-und Mittelosteuropa dagegen dümpelt die Rate zwischen 1,3 und 1,5 Kindern pro Frau, aus unterschiedlichen Gründen: Während Südeuropa wenig Familien- und Gleichstellungspolitik betreibt, dämpft in Osteuropa vor allem die wirtschaftliche Situation die Lust auf Familie. Auch die Religion hat Einfluss: Das katholische Irland liegt trotz wenig ambitionierter Familienpolitik mit der Geburtenrate weit vorn.

Die deutsche Familienpolitik hält Kistowski auf jeden Fall für ausbaufähig: "Wir haben noch längst keine gute Kinderbetreuung", mahnt sie. Eine leichte Erhöhung des Kindergeldes, soeben von der Koalition beschlossen, sei nicht ausreichend. Zugleich betont Kistowski, dass eine geburtenfreundliche Politik meist aus ganz anderen Gründen betrieben wurde - und vielleicht auch werden sollte: Die Schweden etwa wollten vor allem, dass Frauen und Männer in ihrer Gesellschaft gleiche Chancen haben. Und sie wollten vermeiden, dass junge Mütter und Kinder in Armut leben. Deshalb bemühten sie sich, die Nachteile der Mutterschaft auszugleichen und Frauen zum Berufseinstieg vor der Familienphase zu motivieren. So entstand das Elterngeld. Und nicht aus Angst, dass die Blondschöpfe im Norden aussterben könnten.

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