Vater-Sohn-Geschichte im Ersten: Oh Mann, Papa

Die Vater-Sohn-Geschichte "Ein Sommer mit Paul" (Mittwoch 20.15 Uhr, ARD) ist vielleicht gerade deshalb so interessant, weil sie nicht funktioniert.

Funktioniert nicht, ist aber interessant: Die Geschichte vom verzweifelten Vater und dem tapferen Sohn. Bild: NDR/Jochen Roeder

Es gibt Kinderfilme, die eigentlich Filme für Erwachsene sind: Sie zeigen die Probleme, die Kinder mit Erwachsenen haben und wie ihre Eltern oder Lehrer damit umgehen können. Und es gibt Filme über Erwachsene, die eigentlich Kinderfilme sind: Da wird die Erwachsenenwelt aus einer Kinderperspektive gezeigt.

"Ein Sommer mit Paul" ist im Grunde keines von beidem. Die Kinder sind ein bisschen zu naseweis, als dass andere Kinder sich in sie hineinversetzen können, und die Erwachsenen sind zu kindisch. Irgendwann ruft Paul entnervt auf "Oh Mann, Papa", und man möchte von ganzen Herzen miteinstimmen.

In diesem Sinne könnte man sagen, die Regisseurin Claudia Garde sei mit ihrem Film gescheitert. Aber vielleicht ist die Geschichte von einem verzweifelten Vater und seinem tapferen Sohn gerade deswegen so interessant, weil sie nicht funktioniert. Trotz bestem Fernsehformat geht der Film nicht auf - auch unterm obligatorischen Sternenhimmel der Schlussszene bleibt der Konflikt ungelöst.

"Ein Sommer mit Paul" erzählt von einer Familie im Patchwork-Minimalformat. Raimund Balsam (Matthias Brandt) ist ein runtergekommener Zauberer, der sich mit allerhand Gaukelei durch sein Leben schummelt. Seine Lebensgefährtin ist gestorben als sie im Kosovo fotografierte - eine Art Robert Capa, darf man wohl annehmen - und das kann Raimund nicht verwinden. Von ihr geblieben ist ein unangetasteter Schrank voller Kleider, ihr mittlerweile 12-jähriger Sohn Paul (Max Schmuckert) und, wenn man so mag, ihre Familie, die jetzt auf verschiedene Art versucht, Paul seinem Ziehvater wegzunehmen.

Dazu gibt Raimund Balsam jeden erdenklichen Anlass: Er säuft, prügelt sich, begegnet Frauen mit einfältigem Sexismus und vernachlässigt Paul in jeder Hinsicht. Der flüchtet sich in lange Briefe, die er an die tote Mutter schreibt.

Augeschmückt ist das Ganze durch eine stattliche Reihe von Klischees: Pauls Großmutter ist reiche Firmenbesitzerin, Pauls Vater der verschuldete Versager, der ihr die Tochter nahm. Die respektable und gesellschaftliche Ehe von Pauls Schwägerin (wunderschön gespielt von Anna Thalbach) ist dieser Logik folgend glücklos, sie sehnt sich eher nach dem schmuddeligen Charme von Raimund und seiner Villa-Kunterbunt-Welt.

Der deutsche Familien-Fernsehfilm hat sich schon seit ein paar Jahren mit aller Macht dem Flickenmuster verschrieben. Oberstes Gebot ist der Realismus, Kinder werden auf die Zumutungen der Welt eingeschworen - gescheiterte Ehen, Alkoholismus, Arbeitslosigkeit. Und obwohl "Ein Sommer mit Paul" all das thematisiert, bricht er doch mit dem Realismusgebot durch allerhand Zaubertricks - und zeigt, was Eltern ihren Kinder alles so zumuten in ihrem Hang zur Selbstverwirklichung. Auch wenn die unbedingte Umsetzung der eigenen Lebensvorstellung sich hier darauf beschränkt, bei jeder Gelegenheit das aufsässige Kind zu geben und die hübsche Pizzabotin mit einem billigen Rosé rumzukriegen.

Obwohl die erwartbaren Dialoge (Buch: Sebastian Schubert) mitunter gewaltig nerven, beginnt man irgendwann doch, die Totalverweigerung von Raimund Balsam ein bisschen zu bewundern. Es geht eben nicht immer alles irgendwie weiter. Pädagogisch wertvoll ist diese Vater-Sohn-Geschichte nicht. Aber wegen ihres unkonventionellen Umgangs mit der Realität durchaus sehenswert.

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