Influenza: Junges Virus mag den Norden

Das H3N2-Virus löste einst die Hongkong-Grippe aus, nun wütet es in Norddeutschland. Grund zur Panik bestehe jedoch nicht, sagen Experten: der Impfstoff wirke, Medikamente gebe es genug.

So sieht er aus, der Influenza-Virus. Bild: DPA

Schüttelfrost, obwohl die Heizung voll aufgedreht ist, Kratzen im Hals und schmerzende Glieder: erste Anzeichen einer ausgewachsenen Grippe. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts Berlin (RKI) wurden in der vergangenen Woche bundesweit etwa 900 Influenza-Fälle gemeldet: rund 50 aus Niedersachsen und Bremen, zehn aus Hamburg und Schleswig-Holstein sowie vereinzelte aus Mecklenburg-Vorpommern.

Norddeutschland sei damit am stärksten von der grassierenden Grippewelle betroffen, teilt das Institut mit. Im Vergleich zu den Vorjahren sei die für die Wintersaison typische saisonale Influenza weitaus früher ausgebrochen. "Außerdem ist der Anstieg in diesem Jahr zu hoch", sagt Susanne Glasmacher vom RKI. Ein Grund für die außergewöhnlich schnell um sich greifende Grippe könnte das relativ junge Influenza-Virus H3N2 sein. "Dieser ist unter den bekannten Virusstämmen der Neuere", sagt Glasmacher.

Das H3N2-Virus gehört zu den zirkulierenden Viren des Typus A und ist eines der jüngsten bekannten Grippe-Viren. 1968 löste es die "Hongkong-Grippe" aus, eine weltweite Epidemie mit etwa einer Million Toten. Die schlimmste Influenza-Epidemie des 20. Jahrhunderts wütete jedoch in den Jahren 1918 und 1919. Die "Spanische Grippe" gelangte vermutlich von einem Militär-Camp in Kansas aus durch Truppentransporte nach Europa. Von dort aus breitete die Krankheit weltweit aus. Mehr als 50 Millionen Menschen starben binnen weniger Monate an den Folgen des damals noch unbekannten Grippe-Virus H1N1. Dieser Erreger ist US-Forschern zufolge eng verwandt mit dem in Asien grassierenden Vogelgrippe-Virus H5N1. Sollte auch dieses Virus seine Eigenschaften durch Mutation verändern und von Mensch zu Mensch übertragbar sein, wäre eine weltweite Epidemie nicht auszuschließen. UG

Durch Mutation habe H3N2 die Eigenschaft gewonnen, leichter von Mensch zu Mensch übertragen zu werden. Deshalb besäße er eine gewisse Grundimmunität gegenüber existierenden Medikamenten. Zum ersten Mal trat dieser Influenza-Typ 1968 auf: die so genannte Hongkong-Grippe. Innerhalb von zwei Jahren starben damals weltweit etwa eine Million Menschen.

Experten raten jedoch davon ab, nun in Panik zu verfallen, und verweisen auf eine rechtzeitige Vorsorge. Laut des Berufsverbandes Deutscher Internisten etwa ist die jüngste Erregervariante im aktuellen Impfstoff enthalten. Allerdings benötige der Impfschutz bis zu 14 Tage, um sich zu entwickeln.

Die Welt hatte derweil gegen ein bisschen Panikmache nichts und titelte am Donnerstag gar mit der Überschrift "Grippewelle: Erste Medikamente werden knapp". Demnach gebe es in einigen Hamburger Apotheken bereits erste Engpässe bei Antibiotika und anderen Arzneimitteln. "Die Medikamentenversorgung ist nicht gefährdet", sagt allerdings Reinhard Hanft von der örtlichen Apothekerkammer.

Nur bei einigen wenigen Herstellern könne es unter Umständen vorkommen, dass die Lieferung von Antibiotika der derzeitigen Nachfrage nicht gerecht werde. Der Grund dafür sind Hanft zufolge die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen. Denn seit April 2007 sind Apotheker gesetzlich dazu verpflichtet, nur Arzneimittel derjenigen Hersteller abzugeben, mit denen die jeweilige Kasse Rabattverträge abgeschlossen hat. Verschreibt ein Arzt also seinem Patienten ein bestimmtes Medikament, muss der Apotheker erst prüfen, ob die Kasse des Betroffenen dieses auch bewilligt. Liegt für das Medikament kein Rabattvertrag vor, erhält der Patient stattdessen ein so genanntes Generikum - ein Medikament eines anderen Herstellers mit gleichen Wirkstoffen. "Es kann schon sein, dass manche Generika-Hersteller nicht auf diese Grippewelle eingestellt sind", sagt Gerd Reinartz, Sprecher der DAK für den Bereich Nord. Von einer Arzneimittelknappheit in den Apotheken wisse er aber nichts.

Auch bei der Techniker Krankenkasse (TK) wiegelt man ab: Die Vertragspartner hätten keinerlei Lieferschwierigkeiten. Nicht zuletzt sei das RKI höchstselbst für die Vorratssicherung zuständig, wodurch Engpässe bei Grippemedikamenten verhindert würden. Dass die Influenza in diesem Jahr besonders im Norden verbreitet ist, können sich aber auch die dortigen Wissenschaftler nicht wirklich erklären. "Man kann nun mal nicht vorhersagen", sagt Susanne Glasmacher, "wo es anfängt". Diesmal habe es eben Norddeutschland erwischt, in der Vergangenheit seien eher Bayern und Baden-Württemberg von der Grippewelle betroffen gewesen. Für die kommenden Tage schließlich kann die Fachfrau leider nichts Gutes versprechen: "Vermutlich werden die Influenza-Zahlen weiter hochgehen."

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