Grünen-Politikerin Antje Hermenau:: "Tarek soll den Hut in den Ring werfen"

Die Grüne Antje Hermenau verlangt eine Erneuerung ihrer Partei im Bundestag. Deshalb ermuntert sie den Hessen Al-Wazir zum Wechsel nach Berlin. Sie selbst tritt im August bei der Sachsen-Wahl an.

Tarek al-Wazirs Platz ist zwischen Kuhn und Künast, meint Antje Hermenau Bild: dpa

taz: Frau Hermenau, warum gehen die Grünen so selbstzufrieden ins Wahljahr?

ANTJE HERMENAU, 44, ist Fraktionschefin der Grünen im Landtag von Sachsen. Am Sonnabend will sie zur Grünen-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 30. August gewählt werden. Bis 2004 saß die gebürtige Leipzigerin im Bundestag. Sie gehört dem Bundesparteirat der Grünen an.

Antje Hermenau: Das ist doch ein menschlicher Impuls. Die Partei hat in Hessen abgeräumt, und wir merken: Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass wir recht hatten. Nehmen Sie die Kritik an der Abhängigkeit von Öl, Kohle und Atomkraft. Da darf man kurz stolz auf sich sein. Aber jetzt müssen wir viele Wählerinnen und Wähler überzeugen.

Für die Wahlkämpfe in der Krise muss Ihnen nicht noch ein wenig mehr einfallen?

Auf jeden Fall. Wir müssen konkret werden. In Sachsen haben wir ein Konjunkturprogramm aufgelegt. Wir bringen uns ein, wenn es um die Verteilung der Gelder aus dem Konjunkturpaket des Bundes geht. Die Leitidee muss eine ökologische und vielleicht demografische sein.

Aus "mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben" wird fix "mit roten Zahlen grüne Ideen realisieren"?

Im Prinzip schreibt man ja doch mit grünen Ideen schwarze Zahlen, nur später. Die Energiepreise von 2008 waren ein Warnschuss: Die Kommunen geben im Schnitt 20 Prozent für Heiz- und Stromkosten aus. Wenn die Preise steigen, haben sie noch weniger Geld. Städte und Gemeinden müssen sich entkoppeln von weltweitem Geschehen, das sie nicht beeinflussen können. Dafür können sie Konjunkturhilfen nutzen und in wenigen Jahren viel besser dastehen als jetzt.

Waren Sie nicht früher im Bundestag strenge Sparerin?

Man muss Kosten der Zukunft erkennen und vermeiden. Sonst können die Schulden nie wieder abgetragen werden.

Hat Sie der Sieg von Tarek Al-Wazir in Hessen eigentlich ernüchtert?

Warum sollte der mich ernüchtern?

Er hat von der SPD-Schwäche profitiert. SPD und Grüne in Sachsen kommen aber zusammen nur auf etwa so viel Prozent wie Hessens Grüne.

Da brauchen wir wenigstens gegenseitig keine Angst zu haben, dass uns rot-grüne Wechselwähler das Fleisch von den Knochen fressen. Und: Kleine Parteien haben immer Wachstumschancen.

Haben Sie überhaupt eine Regierungsperspektive?

Rot-Grün ist in Sachsen illusorisch. Ein Jamaikabündnis mit der FDP kommt für uns nicht in Frage. Bleiben zwei Optionen, die beide anstrengend sind. Eine wäre, mit der CDU ins Geschäft zu kommen. Die andere Option bestünde mit SPD und der Linken.

Sie hätten kein Problem mit einem Linke-Ministerpräsidenten?

Egal wer einlädt, die Grünen würden zu beiden hingehen. Es kommt nicht auf die Farbe an, sondern darauf, welche konkrete Politik wir für fünf Jahre vereinbaren können.

Würden Sie Tarek Al-Wazir raten, nach Berlin zu gehen?

Er sollte unbedingt seinen Hut in den Ring werfen. Es müssen Grüne aus den Ländern nach Berlin, die landes- und kommunalpolitische Erfahrungen gesammelt haben. Die Realitäten ändern sich - das kriegt man in der Landes- und Kommunalpolitik schneller mit, aber in der Bundespolitik nur mit Verzögerung. Bei meinem Wechsel vom Bundestag nach Sachsen habe ich das selbst gemerkt.

Ihre Partei hat doch im Bundestag eher ein personelles Überangebot.

Was denn für ein personelles Überangebot?

Künast, Trittin, Kuhn, Roth, Höhn, Ströbele, Beck …

Ich weiß schon. Es gibt ganz viele Leute und die kommen alle wieder. Trotzdem ist die Frage: Wer bringt neue Politik mit? Daran wird sich messen, wer die Spitzenleute sind. Es ist leider so in der Politik: Keiner bleibt ewig mit Ruhmeskranz in der Vitrine. Bei den Grünen muss es sich immer wieder neu mischen. Wir können uns Denkmäler erst recht nicht leisten.

Würde sich Al-Wazir in der Bundestagsfraktion durchsetzen?

Tarek kann das. Er hat in Hessen Standvermögen bewiesen und dass er glaubwürdig und trotzdem strategisch handeln kann. Das sind Qualitäten, die wir ganz dringend in Berlin brauchen.

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