: Mit dem spanischen Modell zum Erfolg
DFB Die Nationalmannschaft besiegt Frankreich 2:1 – und, hofft sie, auch ihre Angst vor Kontrollverlust
PARIS taz | „Es war nur ein Freundschaftsspiel“, beschwichtigte der französische Nationalcoach Didier Deschamps, als er die Bedeutung der 1:2-Niederlage im heimischen Stade de France für die nähere Zukunft seines Teams einschätzen sollte. Joachim Löw dagegen hob hervor: „Für die Mannschaft ist es natürlich wichtig, vor 74.000 Zuschauern in Paris gegen Frankreich bestanden zu haben, die England und Italien geschlagen und gegen Spanien unentschieden gespielt haben.“ Frankreich sei wieder in der Weltspitze anzusiedeln. Und damit war auch der Wert der deutschen Vorstellung bemessen. Schließlich sagte der Bundestrainer ja auch: „Wir waren die klar bessere Mannschaft.“
Dass Gewinnern nicht an Relativierungen ihrer Erfolge gelegen ist, liegt einerseits in der Natur der Sache. Andererseits ging es Löw dieses Mal nicht nur um das, was kommt. „Wir haben das ein oder andere besser gemacht als in anderen Spielen, bei denen es nicht so geklappt hat“, stellte er gleich zu Beginn seiner Analyse fest. Und etwas später bemerkte er, ihm habe besonders der Mut seiner Mannschaft gefallen, trotz Bedrängnis von hinten heraus zu spielen. Dass sie dabei diesmal nicht die Kontrolle verloren habe wie noch beim 4:4 gegen Schweden, als man sich nur noch mit lange Bälle zu befreien versucht hatte, hob er hervor.
Das Ende des Kontrollverlusts – so könnte man generell den Abend von Paris überschreiben. Denn mit dem temporeichen und spielerisch überzeugenden Auftritt des Nationalteams hat auch Joachim Löw wieder ein wenig Kontrolle erlangt über die sich zuletzt verselbstständigende Debatte, ob dem deutschen Nationalteam nicht etwas Grundsätzliches fehle, um überhaupt titelfähig sein zu können. Einen Pokal konnte er auch im Stade de France nicht vorweisen, aber die Partie diente ihm als Beleg für die unveränderte Lern- und Wandlungsfähigkeit seines Teams. Die prinzipiellen Probleme , die ihr ausgemacht habt, schien Löw seinen Kritikern sagen zu wollen, haben wir zumindest teilweise wieder gelöst.
Was die Leistung der DFB-Auswahl besonders wertvoll erscheinen ließ, war der Umstand, dass an diesem Abend niemand die abwesenden Bastian Schweinsteiger, Mario Götze, Marko Reus, Miroslav Klose oder Manuel Neuer vermisste. Sogar der Ausfall des formschwachen und weitgehend nur physisch anwesenden Mario Gomez konnte bis zu seiner Auswechslung (57.) kompensiert werden. Ohne einen nominellen Stürmer und mit dem stattdessen nach vorne beorderten überragenden Mesut Özil, dem spanischen Modell also, sorgten die Deutschen gar für mehr Torgefahr. „Damit kamen die Franzosen nicht so zurecht“, bilanzierte auch Löw zufrieden. Die Angriffe wurden flexibler. Beim Führungstreffer in der 74. Minute etwa ließ sich Özil zurückfallen und beförderte Khedira mit einem millimetergenauen Steilpass zum Stürmer und Torschützen.
Noch bedeutsamer jedoch ist vielleicht eine andere Variation, die sich am Mittwochabend bewährte. Ilkay Gündogan vertrat in seinem zweiten Länderspieleinsatz von Beginn an Schweinsteiger im defensiven Mittelfeld so gut, dass dessen Wadenkonstitution künftig wohl kaum mehr für so viel Aufregung sorgen dürfte, wie das noch vor und während der Europameisterschaft der Fall war. Der Dortmunder hatte großen Anteil daran, dass die deutschen Angriffe so „unheimlich schnell“ vorgetragen wurden, wie Löw befand. In der 51. Minute legte er Thomas Müller den Ball zum Ausgleichstreffer auf, nachdem Mathieu Valbuena den Franzosen kurz vor dem Halbzeitpfiff (44.) per Kopf die Führung beschert hatte.
Bei dem Überangebot an Mittelfeldakteuren muss Löw vielleicht einmal über eine Umschulung zum linken Defensivspieler nachdenken. Auch mit Benedikt Höwedes, der Marcel Schmelzer ersetzte, blieb die Position eine Schwachstelle des DFB-Teams. Der Schalker verteidigte zwar auf der für ihn ungewohnten Außenseite ordentlich, seine Versuche, Offensivimpulse zu setzen, misslangen indes allesamt kläglich.
Das deutsche Spiel war nicht ohne Makel. Insbesondere der allerorten attackierende Franck Ribery ließ seine direkten Gegenspieler zuweilen schlecht aussehen. Und Löw verzweifelte in den letzten Minuten an der Seitenlinie, weil das Team, wie er monierte, den Ball zwei-, dreimal völlig unnötig verloren habe und sich fast um den Lohn seiner Arbeit gebracht hätte.
Da die Abwehr wackelte, aber nicht fiel, blieb Löw eine weitere Qualitätsdebatte erspart. Zu verdanken hatte er das auch einem weiteren „Alternativmann“. René Adler parierte insbesondere gegen Benzema einmal prächtig. Und so konnte Löw mit gütiger Strenge das Defensivverhalten tadeln: „In solchen Situationen müssen wir noch an Cleverness zulegen.“ JOHANNES KOPP