Digital-TV von ARD und ZDF: Experimente im Hinterhof

ARD und ZDF bauen ihre Digitalprogramme aus. Allen voran das Zweite will auf diesem Weg endlich junge Zuschauer an sich binden - an den Formaten müssen die Mainzer jedoch noch arbeiten.

Schon älter als das Digitalfernsehen: die ZDF-Mainzelmännchen. Bild: dpa

Als ob die gebührenfinanzierten Sender uns nicht schon genug Ratgebersendungen auftischen würden. Ein flüchtiger Blick in die Programmzeitschrift reicht, um im Ersten, Zweiten, vor allem aber auf 3sat und den Dritten mehrere Dutzend Magazine wie "Ratgeber Bauen und Wohnen", "Gesundheit!" oder "Vivo" auszumachen.

ARD und ZDF reicht das nicht. Sie stocken auf - und zwar im Digitalen. Dort sind sie seit knapp elf Jahren weitgehend im Verborgenen unterwegs: mit EinsExtra und dem ZDF-Infokanal, mit EinsPlus als 24-Stunden-Serviceprogramm und dem ZDF-Dokukanal sowie dem Nonstop-Kultursender EinsFestival und dem Theaterkanal des ZDF.

Bisher wiederholten die sechs Kanäle in Programmschleifen, was zuvor schon in den Hauptprogrammen zu sehen war: Egal ob Servicemagazin, Telenovela oder "Tatort". Einzig EinsExtra wurde über Jahre schleichend aufgebaut. Heute läuft dort jede Viertelstunde eine neue Ausgabe der "Tagesschau".

Dieses Programm ist zwar bisher auf Werktage und verlängerte Bürozeiten (9 bis 20 Uhr) begrenzt. Auch firmiert das Angebot - noch - unter dem Tarnnamen "EinsExtra aktuell". De facto macht die ARD mit ihrem Nachrichtensender aber n-tv, N24 und Co. mächtig Konkurrenz.

Die Privaten sind selbst schuld, dass das ARD-Programm im Vergleich zu ihren eigenen Kanälen überragend ist: Sie haben auf dem Nachrichtenmarkt nach wie vor wenig zu bieten. Und so kam die Politik auch nicht auf die Idee, dem Prestigeprojekt der ARD jemals Einhalt zu gebieten.

Viel bedrohlicher für die kommerziellen Sender ist aber diese Entwicklung: Nach EinsExtra bauen ARD und ZDF jetzt auch ihre anderen Digitalprogramme aus. Aus dem ZDF-Dokukanal soll bis zum September ein Familienkanal werden. Intendant Markus Schächter spricht gar von einem "Innovationsmotor" für seine Senderfamilie und will auf dem Spartensender neue Formate testen lassen. Selbst Shows mit prominenten Moderatoren sind im Gespräch.

Was gut läuft, soll schließlich im Zweiten laufen. Die Digitalen sind für das ZDF die Spielwiese, die die ARD mit ihren Dritten längst hat, um neue Sendungen zu testen. Vor allem aber will das ZDF im Digitalen mehr junge Zuschauer für sich gewinnen - und den Privaten abjagen. Für das Hauptprogramm haben sie eh längst kapituliert: Schächter räumt in dieser Sache "einen großen Nachholbedarf" ein.

So setzt auch der ZDF-Infokanal auf jüngeres Publikum. Die ersten neuen Formate können aber nur mit einem kräftigen Kopfschütteln bedacht werden. Da ist das junge Verbrauchermagazin "Wirtschaftswunder", das mit schnellen Schnitten den richtigen Einstieg in den Job ebenso erklären will wie das clevere Buchen einer Skifreizeit. Oder "Mopsfidel". Das Tiermagazin präsentiert - Wahnsinn! - Mode für Haustiere und porträtiert Blindenhunde. Und Korrespondenten pumpen Anekdoten, die offenbar nicht für das Hauptprogramm taugen, in Sendungen wie "Life Style London".

Den Ausbau des Infokanals lässt sich das Zweite vorerst 10 Millionen Euro kosten, wie Hausjustiziar Carl-Eugen Eberle jüngst Medienpolitikern reportierte. Was da bisher herausgekommen ist, wirkt besonders kurzweilig. Der Kanal ist für die sprunghafte Zielgruppe nämlich in 15-Minuten-Häppchen getaktet. Zumeist mit Stückchen aus den Politik- und Ratgebersendung des Zweiten. Raum für tiefgründige Erklärungen bleibt da nicht. Das "Wirtschaftswunder" arbeitet deshalb vor allem mit belanglosen Checklisten, die dem jungen Verbraucher etwa beibringen wollen, Reisen doch möglichst früh zu buchen, um noch eine Auswahl zu haben.

Ein weiterer Ausbau steht noch bevor: Wenn das ZDF - deutlich verspätet - gegen Mitte dieses Jahres sein neues Nachrichtenzentrum in Betrieb nimmt, soll davon auch der Infokanal profitieren.

Längst liefen im Sender Tests für ein "Thema des Tages", das hinter der durchgeschalteten 19-Uhr-"heute"-Sendung laufen und bei Bedarf kurzfristig auch als "ZDF-Spezial" ins Hauptprogramm gehoben werden könnte.

Auch der ZDF-Theaterkanal soll aufgepeppt und ein Kulturkanal für die jüngere Zielgruppe werden. Dafür sind 7 Millionen Euro budgetiert. Angedacht ist, zusammen mit der vorzeigbaren 3sat-"Kulturzeit" ein Magazin für Jugendliche aufzuziehen. Derartige Experimente würden nach Jahrzehnten leichtfertig vernachlässigte Lücken im öffentlich-rechtlichen Angebot schließen und wären deshalb umso lobenswerter.

Gegenläufig ist da eine Sendung, die EinsPlus gestern Abend losschickte: Mit "lecker hoch drei" strahlt die ARD eine weitere Kochsendung aus. Die wirkt aber so primitiv wie keine andere und soll zeigen, "welche kulinarischen Genüsse sich aus Übriggebliebenem vom Wochenende zaubern lassen". Wie sehr das gestellt ist, kann sie aber nicht mal im Ansatz vertuschen.

Während im Digitalen mancherorts substanziell aufgebaut wird, geht also zumindest hier das Resteessen fleißig weiter.

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