Online-Nachfolge für Radio Multikulti: Das Leben nach dem Tod

multicult 2.0, der Online-Nachfolger des Berliner Radio Multikulti vom RBB, sendet nun live - zwei Stunden pro Tag. Eine Hörprobe.

Schrecklicher Name, gute Aussichten: Radio Multicult 2.0. Bild: screenshot multicult20.de

Wenn doch der Name nicht wäre: "multicult 2.0". Das klingt so unendlich nach Wischiwaschi-wanna-be-cool-Internet von 2006, dass man einfach nur weinen möchte. Dabei ist die Entwicklung des in Berlin ansässigen Internetradios doch eigentlich erfreulich: Seit Anfang der Woche sendet man endlich auch live und hat mit dem "CultMagazin" einen journalistischen Ankerpunkt im Sendeschema geschaffen.

Das komplett ehrenamtlich organisierte multicult 2.0 startete in der Silvesternacht 2008/2009 unmittelbar nach der viel kritisierten Einstellung des RBB-Senders Radio Multikulti seinen Sendebetrieb - was gleich mal den Server zum Zusammenbruch brachte. Seitdem arbeiten über 100 Mitarbeiter, davon ein fester Kern von rund 20 bis 30, am Projekt eines selbst organisierten internationalen Radiosenders. Und machen ein Programm aus moderierten Musiksendungen und fremdsprachigen Magazinen, etwa auf Vietnamesisch, Albanisch und Persisch, die bisher allesamt vorproduziert werden.

Seit Montag sendet das "CultMagazin" live vom Hausboot "MS Heiterkeit" oder aus dem Haus der Kulturen der Welt. Als einziges Format von multicult 2.0 läuft es an jedem Werktag auf einem festen Sendeplatz (12 bis 14 Uhr). Geboten wird eine bunte Mischung aus Lokalpolitik und Kultur, in der Dienstagausgabe etwa ein Telefoninterview zur Kreuzberger Bürgerinitiative "Drogen weg vom Kottbusser Tor" und ein Studiogespräch über die Ausstellung "Die Juden sind schuld". Komplettiert wurde das Programm durch die Vorstellung der CD der Woche ("Radio Romanista" von der serbischen Band Kal) und Veranstaltungstipps (türkisches Theaterstück, indische Lesung) sowie die etwas rührige Rubrik "Fenster der Straße", in der in Berlin lebende Ausländer ihren Eindruck von der Stadt beschreiben.

Ferner laufen halbstündlich Nachrichten, die wie bei Motor FM von der Netzeitung übernommen werden. Und natürlich wie auch im Rest des Programms: Weltmusik, von äthiopischem Hiphop über einen 2raumwohnung-Salsa-Remix bis zu finnischen Schlagern.

Noch häufen sich kleinere Pannen im Sendeablauf, die Moderation ist noch recht holprig und äh-lastig, und der Stream läuft noch nicht zuverlässig, doch derlei Kinderkrankheiten werden wohl schon bald ausgestanden sein.

In den kommenden Wochen werden auch die anderen Sendungen auf den Livebetrieb umgestellt, generell soll der Wortanteil kontinuierlich steigen - so startet im April ein chinesischsprachiges Magazin. Außerdem werden die Möglichkeiten des Internets zukünftig besser genutzt: Podcasts sind geplant, und die fremdsprachigen Magazine werden parallel auch auf Deutsch zu hören sein - zu Multikulti-Zeiten musste man sich noch mit umständlichen Doppelmoderationen behelfen.

Die Streamkapazität von maximal 1.000 Hörern wurde zwar seit der Startnacht kein zweites Mal gesprengt, aber mit dem Start der Livesendung sollen sich die täglichen Zugriffszahlen vervierfacht haben. Gute Aussichten also für multicult 2.0. Und vielleicht überlegt man es sich ja auch noch mal mit dem Namen.

MICHAEL BRAKE

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.