Hardware für den Sprung nach vorn

In Tunis wird heute der erste Prototyp eines 100-Dollar-Laptops vorgestellt. 100 Millionen Laptops will das M.I.T. in der Dritten Welt verteilen. Auch Indien und Brasilien entwickeln Computer für Arme

BERLIN taz ■ Nicholas Negroponte, Gründer des berühmten Media Lab am Massachusetts Institute of Technology (MIT), hat eine Vision: Er will die weißen Flecken auf der Landkarte des Informationszeitalters tilgen. Wie das gehen könnte, zeigt er heute, wenn er UN-Generalsekretär Kofi Annan auf dem Weltinformationsgipfel den Prototyp des ersten 100-Dollar-Laptops überreicht. Ausgestattet mit dem freien Computerbetriebssystem Linux und von jeglichem Hightech-Gerümpel befreit, soll dieses Gerät Schülern in der Dritten Welt den Anschluss ans Internetzeitalter ermöglichen.

Gemeinsam mit Hardware-Konzernen und Drittweltregierungen sollen in den nächsten Jahren 100 Millionen dieser Laptops ausgeliefert werden. Um den niedrigen Preis zu ermöglichen, setzt Negroponte auf 30 Dollar billige Displays, die auch bei Sonnenlicht gut lesbar seien. In Gegenden ohne Stromversorgung sollen die Batterien mittels eines Handkurbeldynamos wieder aufladbar sein. Wichtig für Negroponte ist dabei, dass jedes Kind ein eigenes Laptop erhält. „Es gibt ja auch keine Gemeinschaftskugelschreiber, Kinder haben ihre eigenen“, argumentiert er. Mehrere Laptops in einem Dorf sollen allerdings ein Netzwerk bilden können, in dem die Schüler gemeinsam arbeiten können.

So beeindruckend Negropontes Konzept klingt, hat es doch Schönheitsfehler. Denn bislang ist unklar, wie die Laptops online gehen können, wenn es nicht einmal ein einziges Handy in einem Dorf gibt, über das der Zugang erfolgen könnte. Andere kritisieren den westlichen Ansatz des Projekts. Jedem Kind Laptop und Internetanschluss zu geben sei noch nicht dasselbe wie Bildung, wendet Swami Manohar, Chef des indischen Herstellers PicoPeta Simputers, ein. Sein Urteil: „Sie fangen am falschen Ende an.“

Wie man Computer auf regionale Bedürfnisse zuschneidet, zeigt dagegen sein Amida Simputer. Das ist ein Handcomputer, der wie hiesige PDAs mit einem Plastikstift bedient wird. Die Programme sind dabei auf die Anforderungen des Subkontinents abgestimmt: E-Mails können per Hand in jeder beliebigen Schrift Indiens oder – in einem Land mit hoher Analphabetenrate wichtig – als Zeichnungen verfasst und ohne Aufruf eines E-Mail-Programms verschickt werden.

„Die Kernidee ist, dass das Gerät von mehreren Personen genutzt wird“, sagt Manohar. In einen entsprechenden Schlitz können die Nutzer Smart Cards schieben, auf denen ihr persönliches Nutzerprofil mit eigenen Daten gespeichert ist. Derzeit wird der Simputer noch von Firmen und Behörden zur mobilen Datenerfassung genutzt. „Wir arbeiten aber mit der ABN Amro Bank an einer Software für Mikrokredite, die wir dann NGOs zur Verfügung stellen wollen“, sagt Manohar. Dörfler, die Kleinkredite bekommen wollen, müssten dann nicht in die nächstgelegene Stadt reisen, die Bank käme zu ihnen aufs Land.

Auch in Brasilien setzt man auf eine Eigenentwicklung, die gemeinschaftlich genutzt werden kann: den Computador Popular, in Anlehnung an den VW Käfer auch „Volkscomputer“ genannt. „Die Basis des Volkscomputers ist nicht der Desktop-PC, sondern ein Server, an den man Rechner ohne Festplatten anschließt“, erläutert Sergio Campos, Informatikprofessor an der Universität Minas Gerais und Gründer der Firma Metasys, die den Rechner herstellt. „Fehler können dann nur an einem Punkt auftreten.“

Das ist wichtig, weil es außerhalb der Metropolen im weitläufigen Brasilien kaum ausgebildete Computertechniker zur Wartung der Rechner gibt. Deshalb hat Campos’ Team allgemein verständliche Bedienungsanleitungen und Videomaterial entwickelt. Derzeit stehen bereits in tausend öffentlichen Schulen des Bundesstaates Minas Gerais solche Volkscomputer-Cluster, bis Ende 2006 sollen alle 4.000 Schulen damit ausgestattet sein.

Während am 100-Dollar-Laptop vor allem US-Computerhersteller verdienen werden, kommt der Bau des Volkscomputers der heimischen Industrie zugute. „Bis auf die Prozessoren werden sämtliche Bauteile in Brasilien gefertigt“, sagt Campos.

NIELS BOEING

Weitere Infos zum Volkscomputer: (seit Anfang 2004) Preis: ca. 390 Euro (1.000 Reais), www.metasys.com.br Simputer (seit Anfang 2004): Preis ca. 200 Dollar, www.amidasimputer.com 100-Dollar-Laptop (voraussichtlich ab 2006): laptop.media.mit.edu