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Archiv-Artikel

Hilfe ohne Betteln

von DOMINIC JOHNSON

Der Weg ist frei für die Umsetzung einer alten Forderung humanitärer Hilfsorganisationen, bei plötzlichen Krisensituationen schneller helfen zu können. Die UN-Generalversammlung sprach sich am Montag im Zuge einer ausführlichen Debatte grundsätzlich dafür aus, einen ständigen UN-Nothilfefonds einzurichten. Bisher mussten UN-Hilfswerke bei Naturkatastrophen oder sonstigen plötzlichen Notlagen immer erst einen Hilfsappell veröffentlichen und dann warten, dass Spendengelder eintreffen. Jetzt sollen Geber auch ohne Anlass Geld in einen zentralen Fonds spenden können, das dann bei Bedarf sofort abrufbar ist.

„Im vergangenen Jahrzehnt hat der Bedarf an effektiver humanitärer Hilfe dramatisch zugenommen“, erläuterte UN-Generalsekretär Kofi Annan in seiner Vorlage an die UN-Generalversammlung. „Eine Quelle vorhersehbarer Finanzierung ist nötig, um eine rasche lebensrettende Reaktionsfähigkeit zu garantieren und ein Minimum an Gerechtigkeit in der geografischen Verteilung von Hilfe zu gewährleisten.“ Bereits in der Vergangenheit wählte Annan drastische Vergleiche, um die Absurdität der Lage zu unterstreichen: Es sei, als wenn die Feuerwehr bei einem Brand erst um Spenden für Benzin und Schläuche bitten müsse, bevor sie ausrücken könne.

Eigentlich hat die UNO bereits einen zentralen Hilfsfonds, aber er ist überhaupt nicht für schnelle unbürokratische Hilfe geeignet. 1991 eingerichtet, enthält der „Central Emergency Revolving Fund“ (Cerf) gerade 50 Millionen Dollar. Diese dürfen nur als Kredite vergeben werden, und die Kredite müssen innerhalb von sechs Monaten zurückgezahlt werden. In den 14 Jahren seines Bestehens hat der Cerf gerade einmal 337 Millionen US-Dollar ausgezahlt. Annans Vorschlag an die UN-Generalversammlung sieht nun die Umbenennung des Cerf in einen „Central Emergency Response Fund“ vor. Der soll 500 statt 50 Millionen Dollar enthalten und dieses Geld an UN-Hilfswerke spenden, unter Verwaltung der UN-Koordinierungsstelle für humanitäre Hilfe (Ocha).

Zwei Drittel des Geldes sollen der lebensrettenden Soforthilfe dienen – „innerhalb höchstens drei oder vier Tagen“, so Annans Konzept. Maximal würde das Geld drei Monate lang fließen, mit höchstens 30 Millionen Dollar pro Krise. Der Fonds ersetzt also Spendengelder nicht. Er bietet aber eine Anschubfinanzierung, um die Zeit bis zum Eintreffen von Spendengeldern zu überbrücken. Gerade in diesen ersten Tagen können bei Naturkatastrophen oder plötzlichen Flüchtlingsbewegungen am meisten Menschenleben gerettet werden. Das verbleibende Drittel soll Hilfsoperationen in Krisengebieten finanzieren, für die so gut wie keine Spenden fließen.

Die UN-Generalversammlung hat nun eine Grundsatzentscheidung für den neuen Fonds getroffen, wobei die Einzelheiten noch in den nächsten Wochen geklärt werden müssen. Strittig ist unter anderem die Höhe des Fonds. Die Summe von 500 Millionen Dollar stellt bereits einen Kompromiss gegenüber Forderungen für einen Fonds von einer Milliarde dar, wie es beispielsweise die britische Regierung vorgeschlagen hatte. Der Grund: Skepsis über die Spendenbereitschaft von Geberregierungen. Zusagen von rund 187 Millionen Dollar liegen bis jetzt vor – aus Großbritannien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und der Schweiz. Mit diesem Geld könnte der Fonds in verkleinerter Form bereits Anfang 2006 stehen, um dann bis 2009 seinen vollen Umfang zu erreichen.

Es ginge natürlich schneller – wenn die Geberländer mitmachen. Die Chancen stehen gut auch bei Ländern wie Deutschland und den USA, die sich bislang sperren. Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die ihr Amt auch unter der großen Koalition behalten soll, ist dafür. Und auch die USA äußerten sich bei der UN-Debatte positiv. Man müsse mehr Geber anwerben, die Arbeit der Hilfswerke effektivieren und stärkere Frühwarnsysteme für politische und ökologische Krisen einrichten, sagte US-Vertreter Sichan Siv. Von Guatemala bis Indien erntete er Zustimmung. Das ist selten bei der UNO.