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Dass die Grünen einst Politik jenseits von Wolkenkuckucksheim gemacht haben, dass du der Kuschellinken natürlich weh. Die Realität ist das Problem und wenn wir die Augen nur ganz feste zumachen, dann ist sie weg. Aber ach, der aktuell größte Vorzug der Grünen ist ja, dass sie für nichts Konkretes stehen. Ein bisschen grüner Muff aus 40 Jahren, ein bisschen Feelgoodpolitik, ein bisschen Absolution in der Wahlkabine, wird schon für 10% plus x reichen.
Die Grünen ziehen sich einfach wieder das FriedenundSozialegerechtigkeitsmäntelchen an, als wären sie nie an der Regierung beteiligt gewesen. Falls sie wieder mitregieren sollten, wer garantiert mir denn, dass sie nicht Hartz5 und noch ein paar Kriegseinsätze mitbeschließen?
Grün bedeutet eben nicht mehr klare Worte und klare Ziele. Das haben die schon lange hinter sich gelassen und so ist es ein Programm der kleinsten gemeinsamen Nenner, koalitionsfähig in Zweifel mit jedem. Wer grün wählt, wählt eigentlich nur das noch das gute Gefühl von damals, als man noch etwas ändern wollte...
Nach dem Schuss eines Reichsbürgers auf einen Polizisten wird über Waffenbesitz diskutiert. Um für Sicherheit zu sorgen, ist Kreativität gefragt.
Kommentar Grünes Wahlprogramm: Allen wohl und niemandem weh
Das grüne Wahlprogramm will Politik auf eine gerechte, soziale und ökologische Basis stellen - aber vor allem niemanden verschrecken.
"Wen wählst du?" Eine inzwischen übliche Frage im linksliberalen Milieu. Anders als früher bekämpfen Wählerinnen und Wähler von SPD, Linkspartei und Grünen einander nur noch selten ideologisch. Das könnte die sachliche Diskussion beflügeln - wäre nicht oft Resignation an die Stelle des Engagements für eine bestimmte Partei getreten. Gewählt wird das kleinste Übel. Wie konnte es dahin kommen?
Das Wahlprogramm der Grünen liefert Hinweise. Unter dem vollmundigen Titel "Der grüne Neue Gesellschaftsvertrag" - unter Roosevelt und Rousseau tun sies nicht - wird versucht, Politik auf eine neue, gerechte, soziale und vor allem ökologische Basis zu stellen. Mit Einschränkungen allerdings. Verschreckt werden soll offenbar niemand. Allen wohl und niemandem weh: Das wäre eine treffendere Überschrift gewesen.
Beispiele für Zaghaftigkeit gibt es viele in dem Papier. Ökonomie, Ökologie und soziale Gerechtigkeit dürften nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden, heißt es darin. Wäre es nicht eine gute Idee, auch Liebeskummer zu verbieten? Polemik beiseite: Die Formulierung beweist, dass eine Definition ausgedient hat, die unter Politik den Ausgleich zwischen gegensätzlichen Interessen versteht.
Offenbar gibt es aus Sicht der Grünen gar keine Interessenkonflikte mehr. Sonst hätten ja Prioritäten gesetzt werden müssen. Was, wenn ökonomische und ökologische Forderungen sich nicht allein mit gutem Willen unter einen Hut bringen lassen? Der Hinweis auf neue Arbeitsplätze durch ökologischen Umbau wirkt angesichts der globalen Krise als Allheilmittel ziemlich hilflos.
Die Welt außerhalb Europas kommt bei den Grünen nur noch am Rande vor. Ausgerechnet eine Partei, die an ihrem sicherheitspolitischen Kurswechsel vor einigen Jahren beinahe zerbrochen wäre, widmet nun den Themen Afghanistan und Abrüstung weniger Raum als der Forderung nach freiem Zugang zum Internet. Kurios.
Viel Gutes und Wahres steht im grünen Programm. So, wie in denen anderer Parteien auch. Die Wahlentscheidung dürfte das Papier nur wenigen erleichtern. Aber vielleicht halten die Strategen das ja auch angesichts stabiler Umfragewerte gar nicht für notwendig.
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Kommentar von
Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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