Schäubles Schlag gegen Rechtsextreme: Keine Rassenkunde im Zeltlager mehr
Seit fast 20 Jahren versucht die Heimattreue Deutsche Jugend, Kinder und Jugendliche zu überzeugten Neonazis erziehen. Jetzt hat Innenminister Schäuble den Verein verboten.
Die Verbotsverfügung dürfte die "Heimattreue Deutsche Jugend - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V" (HDJ) nicht überrascht haben. Seit fast zwei Jahren fordern Politiker ein Verbot des Vereins, der Kinder und Jugendlichen im Alter von 7 bis 29 Jahren im rechtsextremen Geist erziehen will. Am Dienstag in den frühen Morgenstunden erhielt nun der HDJ-Bundesvorsitzende Sebastian Räbiger die Verbotserklärung.
"Die HDJ missbraucht die Jugendarbeit, um Kinder und Jugendliche zu überzeugten Nationalsozialisten zu erziehen", sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Begründung des Verbots. Das Innenministerium ging dabei nach Paragraph 3 des Vereinsgesetzes vor, da sich die HDJ auch in "aggressiv-kämpferische Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung" stellt.
Am Morgen fanden bei HDJ-Funktionären zugleich in Berliner, Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen Durchsuchungen statt. Einige der HDJ-Kader sind seit Jahrzehnten in der rechtsextremen Szene von NPD bis Freien Kameradschaften aktiv, lösten Ermittlungen und Verurteilungen wegen Körperverletzung, Wehrsportübungen, Waffenbesitz und Volksverhetzung aus. Am 8. Oktober 2008 standen Ermittler schon einmal vor Räbigers Haus. Im Vorfeld des Verbotes hatte das Innenministerium in über 80 Räumlichkeiten von HDJ-Funktionären Razzien angeordnet.
Seit den 1990 Jahren die Rechtsextremen Kinder und Jugendliche bei Fahrten, Lagern und Wanderungen einer nationalistischen und antidemokratischen Bildungsdressur inklusive Körperertüchtigung. Schon lange ging es dabei nicht nur um die rund 400 HDJ-Mitglieder und ihr Umfeld, der Verein umwarb auch Kinder außerhalb der Szene. Bei den Zeltlagern, an dessen Toren "Der Heimat und dem Volke treu" stand, wurden planmäßig "Grenzfragen" geklärt, NS-Größen verherrlicht und "Rassenkunde" betrieben. Diese Spannung zwischen Schulung und Abenteuer belastete die Kinder. Sie seien hin und hergerissen, berichten Aussteiger. "Die HDJ ist mehr als eine Erziehertruppe, sie ist Gesinnungsgemeinschaft nach dem nationalsozialistischen Lebensbundprinzip", betont Reinhard Koch, Leiter der "Arbeitstelle Rechtsextremismus und Gewalt" (Arug) aus Braunschweig.
Besonders Frauen stützen die Strukturen der HDJ. Sie legen auch außerhalb der Treffen ihre Verhaltensmuster nicht ab, treten mit Rock und Zöpfen auf, geben ihren zahlreichen Kindern bekommen germanische, nordisch klingende Namen. Anglizmen werden vermieden. Auf ihrer Website wirbt die HDJ besonders mit ihren Freizeitangeboten. Im Vereinsmagazin "Funkenflug" wurde HDJ-Chef Räbiger deutlicher: "Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit."
Noch 2007 fühlte sich das Bundesinnenministerium für die HDJ nicht so recht zuständig. Eine Sprecherin sagte damals der taz, die HDJ sei zwar "rechtsextrem", aber "formal" nicht bundesweit aktiv. In dem Jahr hatte die HDJ schon lange ihren Bundessitz in Berlin, war bereits 2001 im schleswig-holsteinischen Plön ins Vereinsregister eingetragen, "Einheiten" bestanden in mehreren Bundesländern.
"Zu lange wurde die HDJ als interne Angelegenheit der Neonazi-Szene heruntergespielt", glaubt Rechtsextremismusexperte Koch. Der Arug-Leiter befürchtet, dass die bei der HDJ geschulten Kinder später als "braune Elite" die Zivilgesellschaft herausfordern könnten. Bis zum Verbot durchliefen Hunderte Kinder und Jugendliche die HDJ, schätzen Experten.
Das Verbot war längst überfällig, meint auch Koch: "Alleine schon wegen des Kindeswohls". Allerdings sei zu befürchten, dass diese Kreise jetzt erneut ein rechtes Parallelerziehungsangebot aufbauen. Rechtsextreme Frauen und Männer gründen verstärkt Familien. Ihre Kinder wollen sie in ihrem Geiste betreut und erzogen wissen - unabhängig vom staatlichen Bildungssystem.
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