Sicherheit bei der Fußball-WM: Der Halbgott und die Massenpanik

Nach Todesfällen an einem überfüllten Stadion in der Elfenbeinküste versuchen die WM-Organisatoren in Südafrika den Rest der Welt zu beruhigen.

Ihrem Fußballgott Didier Drogba wollen auch die Armen der Elfenbeinküste nah sein. Bild: ap

Es sollte das Spiel des Jahres werden: Das Team der Elfenbeinküste, Top-Favorit für die WM-Teilnahme in Südafrika 2010, traf auf den Fußballzwerg Malawi. Und diesmal würde ER dabei sein: ER, das ist Didier Drogba, der in seiner Heimat, mehr noch als im restlichen Afrika, als Halbgott gilt. Bei den bisherigen Qualifikationsspielen wegen Gesundheitsproblemen nicht dabei, war der Stürmer vom FC Chelsea diesmal auf dem Platz und verhalf seinem Team zu einem spektakulären 5:0-Sieg. Und dennoch wurde nach dem Spiel nicht gefeiert, sondern getrauert.

Denn beim Massenandrang vor dem Stade Houphouet-Boigny kam es kurz vor Anpfiff zum Schlimmsten. Trotz Warnungen im Radio versuchten tausende kartenlose Fans, sich ins Stadion durchzuschlagen. Die Polizei versuchte (nach eigenen Worten), die Situation mit Tränengas "zu beruhigen". Vierzig Minuten vor dem Anpfiff rannten einige hundert Fans gegen ein Stadiontor an, eine Mauer brach ein: 22 Menschen wurden totgetrampelt, mehr als 130 verletzt. Das Stadion war da schon überfüllt: Mindestens 5.000 Zuschauer mehr als die zugelassenen 45.000 drängten sich auf den Rängen. "Typisch Afrika", meldeten sich kurz darauf die gleichen Kritiker zu Wort, die Südafrika als Austragungsort für die Fußball-WM 2010 vom ersten Tag an verdammten.

Fifa-Präsident Joseph Blatter kündigte eine rigorose Untersuchung an. Die Angst ist nicht nur bei der Fifa groß, dass Unglücke wie das in Abidjan dazu führen werden, dass zahlungskräftige, westliche Fans sich nicht nach Afrika trauen. Schließlich ist Abidjan kein Einzelfall: Im September vergangenen Jahres starben im Kongo dreizehn Fußballfans bei einer Schlägerei, ein paar Monate davor waren acht Menschen bei einem Spiel in Liberia ums Leben gekommen. Eines der schwersten Unglücke im afrikanischen Fußball ereignete sich 2001 bei einer Massenpanik in Ghanas Hauptstadt Accra: Nach einem Spiel der beiden Lokalrivalen Accra Hearts of Oak und Asante Kotoko starben 126 Menschen.

Kein Wunder, dass die Organisatoren der WM sich am Montag beeilten, jeder Parallele zur anstehenden WM eine Absage zu erteilen. "Probleme wie in Abidjan kann es nicht geben, weil die Tickets nur im Vorverkauf zu haben sind", betont ein Sprecher in der Johannesburger Organisationszentrale. "Wer keine Karten hat, wird schon Kilometer vor den Stadien gestoppt und darf nicht weiter."

Soweit der Plan. Doch wer Afrika kennt, der weiß, dass Pläne hier selten aufgehen. Hunderte Millionen Euro, die Südafrikas WM-Organisatoren in den Bau neuer Stadien investiert haben, sind kein Garant für Sicherheit: das Vorzeigestadion der Elfenbeinküste war erst kürzlich renoviert worden, der Andrang war einfach zu groß.

Dazu kommt, dass in Accra wie in Abidjan der Polizei vorgeworfen wurde, die Panik noch angeheizt zu haben, indem sie massenhaft Tränengas in die Menge schoss. Ähnliches steht zu befürchten, wenn in Südafrika die mittellosen Fans ohne Alternative Kilometer vor dem Stadion abgewiesen werden. Denn in Afrika ist es üblich, direkt vor dem Stadion zu feiern und mitzufiebern, während von den Rängen der Jubel herüberbrandet. Alternativen wie die Fanmeilen mit Großbildschirmen in Deutschland 2006 werden in Südafrika vermutlich nur für Betuchte zu haben sein. Und doch wären sie wahrscheinlich die beste Deeskalationsstrategie: Nur wenn auch die Armen mitfeiern dürfen, wird eine Massenpanik zumindest unwahrscheinlicher.

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