Museen und Galerien in der Krise: Kollabierende Kunst

Die Wirtschaftskrise schlägt auch auf den Kunstmarkt durch. Viele Investoren waschen ihr Geld bei Versteigerungen. Doch begehrt als Anlage sind oft nur die Klassiker.

Die Yves-Saint-Laurent-Auktion brach alle Rekorde. Wie sich später herausstellte, wurden viele Exponate mit Schwarzgeld gezahlt. Bild: dpa

Nirgendwo wird die kathartische Kraft der Rezession so sehr beschworen wie auf dem Kunstmarkt. Journalistenkollegen, Kunstmesseorganisatoren und einige Galeristen sprechen gebetsmühlenartig von den positiven Nebeneffekten der Wirtschaftskrise. Qualität würde sich durchsetzen. Gute Zeiten für gute Sammler seien angebrochen. Museen hätten wieder die Chance, ihre Sammlungen zu erweitern, ohne dass sie von neureichen Oligarchen überboten würden. Wir alle besännen uns wieder auf die wahren, gesellschaftskritischen Wurzeln der Kunst.

Es wäre schön, wenn man diesen Annahmen Glauben schenken könnte. Wie die Meldungen der vergangenen Wochen nahelegen, sieht das Gesicht der Krise anders aus. Es trägt zum Beispiel die Züge von Lawrence B. Salander, einem Galeristen aus New Yorks Upper East Side, der - während er mit einem Privatjet um die Welt reiste - rund 88 Millionen Dollar von seinen Sammlern stahl. Bis zu drei Mal verkaufte er ein Bilder und versprach Investoren in einem aberwitzigen Pyramidenschema bis zu 100-prozentige Rendite.

Oder die Züge von Steve Cohen, dem König der Hedgefonds-Manager, der seine Milliarden unter anderem mit Wetten auf den Wirtschaftsabschwung verdient hat und nun als Investor bei Sothebys eingestiegen ist. Im Gegenzug darf der Neuaktionär ein paar Exponate seiner Sammlung im New Yorker Hauptquartier des Auktionshauses ausstellen.

Beide Fälle repräsentieren die Extreme von dem, was passiert, wenn man Kunst auf ihre Funktion als Investition reduziert. Kunst ist käuflich, und das ist gut so. Doch weiß man, dass es zu weit geht mit der Käuflichkeit, wenn man liest, dass die überraschend guten Ergebnisse bei der Yves-Saint-Laurent-Auktion von Christies im Februar und bei der Maastrichter Tefaf im März vor allem auf Schwarzgeldwäsche zurückzuführen sind.

Einige Sammler verspürten aus Angst vor der Lockerung des Schweizer Bankgeheimnisses das dringende Bedürfnis, noch schnell ein paar Bilder zu kaufen. Die meisten davon werden für die nächsten 20 Jahre sicher in Schweizer Safes gelagert - so lange, bis die Steuerhinterziehungsdelikte der Betroffenen juristisch verjährt sind. Davon profitieren nicht etwa die heute arbeitenden Künstler und ihre Galeristen, sondern eine Handvoll Kunsthändler, die alte Meister und Spitzenwerke der klassischen Moderne im Angebot haben. Der Markttrend geht wieder zur sicheren Investition.

Junge Künstler haben in dieser Situation kaum noch Chancen. Ob in Berlin, London oder New York, längst schließen auch Galerien, die finanziell lange auf sicherem Fuß standen. Deutsche Museen finden kaum noch Sponsoren, und das amerikanische Museensystem, dessen paritätisches Finanzierungsmodell aus Spenden, Kapitaleinlagen und öffentlichen Geldern in Deutschland oft als zukunftsweisend angeführt wurde, steht kurz vor dem Kollaps. Sinkende Kapitaleinkünfte in mehrstelliger Millionenhöhe führen selbst unter renommierten Häusern zu Engpässen. Mitarbeiter werden entlassen, Ausstellungen abgesagt.

Museen wie das National Academy in New York sind dazu übergegangen, Werke aus ihrem Bestand zu verkaufen. Das Museum of Contemporary Art in Los Angeles hätte sich bankrott erklären müssen, wäre nicht in letzter Minute der Philanthrop Eli Broad mit einem 30 Millionen Dollar hohem Rettungspaket eingesprungen. Das Las Vegas Art Museum wurde aus Finanznot geschlossen. Ebenso das Rose Art Museum, das von seinem Eigner, der Brandeis University in Massachusetts, aufgelöst wurde, um die hochkarätige Sammlung mit Werken von Roy Lichtenstein, Bruce Connor und Philip Guston zu versteigern. All dies ist kein Gesundschrumpfen mehr - es ist ein kultureller Kahlschlag.

Deshalb ein Aufruf an alle Hedgefonds-Manager, die neue Anlagemöglichkeiten für ihre Krisengewinne benötigen. An alle Sammler, die ihr Schwarzgeld von Schweizer Nummernkonten noch loswerden müssen. Und an alle Investmentbetrüger, die noch nicht aufgeflogen sind: Entdecken Sie Ihre philanthropische Ader und spenden Sie Ihr Geld an notleidende Museen! Schießen Sie die sichere Rendite bei den Klassikern in den Wind! Gehen Sie für einen guten Zweck das eine oder andere Anlagerisiko ein - werden Sie endlich Sammler - und unterstützen Sie strauchelnde Künstler und Galerien. Kaufen Sie junge Kunst!

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