Kommentar Lieberman-Besuch: Gastfreundschaft und Demokratie

Auch Deutschland muss im Verhältnis zur israelischen Regierung irgendwann bereit sein, unbequeme Position zu beziehen.

Manche Gäste empfängt man lieber als andere. Ein Außenminister hat in dieser Frage allerdings wenig Spielraum. Da entscheidet die Staatsraison, ob ein freundliches Lächeln zu den beruflichen Pflichten gehört, und Frank-Walter Steinmeier beherrscht diese Art des Lächelns souverän. Dennoch gab es gewiss schon Termine, auf die er sich mehr gefreut hat als auf den Antrittsbesuch seines israelischen Amtskollegen. Aus gutem Grund.

Avigdor Lieberman sprengt den Rahmen demokratischer Meinungsäußerungen. Er will Bürgern seines Staats die Pässe abnehmen, die einer anderen Religion angehören als er. Er hat nichts dagegen, zu den Befürwortern eines Angriffskriegs gegen ein Land gezählt zu werden, mit dem Verbündete - und die UNO - gerade verhandeln. Er hält es für vertretbar, im Interesse der eigenen Sicherheit auch unbewaffnete Zivilisten zu töten. Er forderte die Hinrichtung von Parlamentsabgeordneten, die Kontakte zu Organisationen unterhalten, mit denen er selbst Kontakte ablehnt.

Wenn ein deutscher Außenminister einen Amtskollegen mit einer solchen politischen Vergangenheit trifft, dann achtet die Öffentlichkeit im Allgemeinen darauf, ob er grimmig genug dreinschaut. Im Zusammenhang mit Israel ist das anders. Der deutsche Völkermord an europäischen Juden begründet besondere Beziehungen zu dem zionistischen Staat. Aber sollte dieser Völkermord nicht eigentlich vor allem besondere Beziehungen zu Juden begründen?

Liegt es im jüdischen Interesse - falls es überhaupt so etwas gibt wie ein jüdisches, ein christliches, ein islamisches Interesse -, wenn man von einem israelischen Außenminister schweigend hinnimmt, was man von einem Berlusconi, einem Haider, einem Le Pen nicht hinnehmen würde oder hingenommen hätte? Jüdische Gegner und Gegnerinnen von Lieberman täten sich leichter damit, ihrem Anliegen öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen, wenn sie nicht befürchten müssten, dass ein Politiker einfach deshalb freundlich angelächelt wird, weil er Israeli ist. Oder wenn jüdische Organisationen nicht regelmäßig normale Kritik an einer Regierung als Antisemitismus denunzieren würden.

Auf Dauer wird Lächeln nicht reichen. Auch Deutschland muss im Verhältnis zur israelischen Regierung irgendwann bereit sein, unbequeme Position zu beziehen. Wann - wenn nicht jetzt?

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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